Auschwitz

Auschwitz-Prozesse

Die so genannten Auschwitz-Prozesse nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollten dafür sorgen, dass die Verantwortlichen des früheren Konzentrationslagers für ihre Verbrechen bestraft wurden. Doch das stellte die Richter vor mehrere juristische Probleme.

Von Sine Maier-Bode

Direkte politische Folgen

Im November 1960 ergeht Haftbefehl gegen Robert Mulka. Von 1942 bis 1943 war er SS-Hauptsturmführer und Adjutant des Lagerkommandanten Höß im Vernichtungslager Auschwitz. Er wird des mehrfachen Mordes verdächtigt. Nach ihm wird der Prozess benannt, der als "Auschwitz-Prozess" bekannt geworden ist: "Strafsache gegen Mulka und andere, Aktenzeichen 4 Ks/63". Einer der Ankläger ist der Jurist Fritz Bauer.

Der Auschwitz-Prozess findet von 1963 bis 1965 statt, 18 Jahre nach der Befreiung der Vernichtungsstätte Auschwitz. Mit Mulka stehen 22 Angeklagte vor Gericht – elf wegen Mordes, elf wegen Beihilfe zum Mord.

Blick auf die Anklagebank | Bildquelle: dpa

Debatte um die Verjährungsfrist

Schon im Laufe des Prozesses wird deutlich, dass die deutsche Gesetzgebung ein Urteil wegen Mordes fast unmöglich macht, denn Mord verjährt nach 20 Jahren. 18 Jahre sind aber schon vergangen, als die Verhandlungen in Frankfurt beginnen. Es ist abzusehen, dass sie lange dauern werden.

Der CDU-Abgeordnete Ernst Benda initiiert gegen die überwiegende Meinung in seiner Partei einen Gesetzentwurf gegen die Verjährung. Am 10. März 1965 findet im deutschen Bundestag eine heftige Debatte um die Verjährungsfrist von Nazi-Verbrechen statt.

Ernst Benda während der Bundestagsdebatte 1965 | Bildquelle: dpa

Auch wenn die Mehrheit der CDU-Fraktion gegen eine Verlängerung ist, so findet die Bundestagsmehrheit doch einen Weg, die Prozessverhandlungen in Auschwitz nicht zu behindern: Sie verlängert die Verjährungsfrist bis 1969, mit dem Argument, dass erst die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 als Beginn der Frist gewertet werden könne.

Nach einer nochmaligen Verlängerung im Jahr 1969 wird zehn Jahre später die Verjährung für Mord endgültig aufgehoben.

Milde Urteile

Auch wenn die Angeklagten im Auschwitz-Prozess nun theoretisch für ihre Mordtaten verurteilt werden können, so bleibt ein weiteres Problem für die Urteilsfindung: Die Täter wurden ja nicht eines Mordes beschuldigt, sondern eines Massenmordes. Für einen vom Staat angeordneten Massenmord hat das Strafgesetzbuch jedoch keine Regelungen.

In seiner Urteilsbegründung weist der Vorsitzende Richter Hans Hofmeyer auf die vielfältigen Probleme hin, die sich dem Gericht bei der Urteilsfindung gestellt haben: "Selbst wenn in allen Fällen die Angeklagten wegen Mittäterschaft zu lebenslang Zuchthaus verurteilt würden, würde eine Division dieser Strafe durch die Anzahl der Opfer niemals auch nur zu einer annähernd gerechten Sühne führen. Dazu ist das Menschenleben viel zu kurz."

Das Schwurgericht recherchiert auch im Lager Auschwitz | Bildquelle: dpa/CAF

Der Prozess hinterlässt ihre Spuren auch bei den beteiligten Juristen. Als Hans Hofmeyer bei seiner Urteilsbegründung die Ermordung von Kindern beschreibt, bricht er in Tränen aus. Einem der Staatsanwälte versagt bei seinem Plädoyer die Stimme.

Und dennoch: Das Urteil fällt verhältnismäßig mild aus. Nur sechs der Angeklagten werden als Täter verurteilt. Die übrigen werden lediglich als Gehilfen betrachtet. Damit bleibt das Gericht weitgehend bei der allgemein vorherrschenden Sicht, dass nur wenige Befehlshaber die Schuld an dem Völkermord tragen und alle anderen nur Befehle ausgeführt haben.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 22.11.2019)