Persönlichkeiten
Konrad Adenauer
Konrad Adenauer ist eine Politiker-Legende. Als er 1949 der erste Bundeskanzler der neu gegründeten Bundesrepublik wurde, lag eigentlich schon ein ganzes Leben hinter ihm, denn er war bereits 73 Jahre alt. Erst mit 87 ging er in Rente und das auch noch unfreiwillig.
Von Christiane Gorse
Die Kindheit und Jugend
Am 5. Januar 1876 wurde Konrad Adenauer als drittes von fünf Kindern in Köln geboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf: Sein Vater war in dieser Zeit Sekretär am Appellationsgericht (heute Oberlandesgericht).
Konrad Adenauer erinnerte sich in späteren Interviews oft daran, dass er bis zum Alter von 16 Jahren mit seinem Bruder ein Bett teilen musste.
Die Eltern erzogen ihre Kinder streng katholisch und autoritär. Als Kind war der kleine Konrad oft krank: Mit sieben Jahren litt er an einer Knochenkrankheit und als Jugendlicher bekam er Tuberkulose – eine Krankheit, an der damals viele starben.
Adenauer genoss eine katholische Erziehung
1894 machte er Abitur und studierte danach Rechts- und Staatswissenschaft. Als Student entging er mit einem Attest dem Militärdienst – in damaligen Zeiten alles andere als förderlich für eine Karriere. Dennoch stieg Konrad Adenauer bald rasant auf, denn er verschaffte sich Zugang zum sogenannten "Kölschen Klüngel".
Ab 1902 verkehrte er in einem Tennisclub, in dem die höheren Töchter der Kölner Gesellschaft ein und aus gingen. Dort verliebte er sich in Emma Weiher, die Tochter des Generaldirektors der Kölner Lebensversicherungen. Zwei Jahre später, im Jahr 1904, heirateten die beiden.
Der Weg zum Oberbürgermeister
Als Jurist war Konrad Adenauer nicht sehr erfolgreich. Er wechselte ins Kölner Rathaus und dort schien er seine Fähigkeiten richtig entfalten zu können. Auch privat war er zunächst mit Glück gesegnet: Der erste Sohn Konrad kam zur Welt, gefolgt von Max und Ria. 1909 stieg Konrad Adenauer zum zweitmächtigsten Mann in der Stadtverwaltung auf.
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war Konrad Adenauer nicht nur stellvertretender Bürgermeister, sondern auch für die Versorgung der Bevölkerung zuständig. Mit viel Organisationstalent und Erfindungsreichtum meisterte er die Krise für die Kölner.
Doch seiner Frau ging es in dieser Zeit immer schlechter. Nach der Geburt ihrer Kinder erholte sie sich nicht mehr und starb schließlich nach langer Krankheit. Konrad Adenauer blieb mit drei kleinen Kindern zurück. Er überstand diese schwere Zeit nur mithilfe seiner Mutter, die sich um die Kinder kümmerte.
Die Arbeit gab ihm Kraft, besonders als er das Angebot bekam, Oberbürgermeister zu werden. Die Stadt Aachen wollte ihn abwerben, doch es eröffnete sich auch die Perspektive, vielleicht in Köln Oberbürgermeister zu werden. Ein schwerer Unfall durchkreuzte seine Pläne. Er musste monatelang ins Krankenhaus und in die Reha, sein Gesicht musste wieder hergestellt werden.
Doch Konrad Adenauer ließ sich nicht entmutigen und am Ende ergatterte er seinen Traumposten: 1917 wurde er Oberbürgermeister von Köln und war damit der jüngste Oberbürgermeister einer Großstadt im ganzen Reich.
Oberbürgermeister von Köln
Die Kölner verehren Konrad Adenauer noch heute als den fähigsten Oberbürgermeister, den sie je hatten. Mit Weitsicht förderte er Großprojekte, die Köln allerdings auch hoch verschuldeten. So ließ er die Kölner Messe bauen, eröffnete die Universität zu Köln und die Kölner Werkschulen.
Adenauer bemühte sich außerdem sehr, ausländische Investoren nach Köln zu holen. Es gelang ihm, den amerikanischen Autobauer Ford dazu zu bewegen, ein Werk in Köln zu bauen.
Außerdem veranlasste er, dass aus dem ehemaligen preußischen Festungsring ein Grüngürtel wurde – noch heute die grüne Lunge der Stadt und beliebtes Naherholungsgebiet für die Kölner. Sein enormes Verhandlungsgeschick zeigte sich schon damals.
Ein Beispiel waren die Diskussionen um den Bau der Mühlheimer Brücke. Adenauer fand in den eigenen Reihen keine Mehrheit für seine Idee der Hängebrücke – viele favorisierten eine klassische Bogenbrücke. Um die Mehrheit im Rat dennoch zu bekommen, scheute er sich nicht, die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) auf seine Seite zu ziehen.
Adenauer als Oberbürgermeister von Köln
Legendär, aber wohl nicht belegt ist, dass er behauptet haben soll, die Moskauer Kommunisten würden auch nur noch Hängebrücken bauen. Jedenfalls mündete der Kölner Brückenstreit schließlich in die Zustimmung zur Hängebrücke – mithilfe der Stimmen der Kommunisten.
Ebenso legendär taktierte Adenauer während der revolutionären Unruhen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als die Arbeiter- und Soldatenräte auch das Kölner Bürgermeisteramt stürmten. Schon zuvor hatte Adenauer sämtliche Alkoholvorräte in den Rhein kippen lassen, damit die Situation nicht noch mehr eskalierte. Und er bot für jede abgegebene Waffe eine Mahlzeit an, sodass die Zahl der Waffen in der Stadt erheblich reduziert wurde.
Als die Revolutionäre schließlich bei ihm im Büro standen, diskutierte er so lange mit ihnen, bis sie ihn zum Vorsitzenden des Bereichs für die öffentliche Sicherheit machen. Auch privat ging es für Konrad Adenauer wieder bergauf. Er lernte seine zweite Frau Auguste Zinser kennen. 1919 heiratete er "Gussi", mit der er fünf weitere Kinder bekam.
Die erste Entmachtung
Ab 1930 waren die Nationalsozialisten auf dem Vormarsch. 1931 beflaggten sie in einer nächtlichen Aktion die Kölner Rheinbrücken mit Hakenkreuzfahnen.
Oberbürgermeister Adenauer ließ umgehend die Fahnen wieder entfernen und verwies darauf, dass die Fahnenstangen städtisches Eigentum seien. Scheinbar eine Bagatelle, aber mit seiner Standhaftigkeit geriet er ins Visier der SA (Sturmabteilung), die schließlich sogar öffentlich Geld für die "Kugel Adenauers" sammeln ließ.
Fackelzugs der Nazis durch das Brandenburger Tor
Nach Hitlers Machtübernahme unterlag Adenauers Zentrumspartei bei den Kommunalwahlen im März 1933 in Köln. Illegalerweise – denn der Posten des Oberbürgermeisters hatte gar nicht zur Wahl gestanden – enthob die NSDAP Adenauer seines Amtes.
Die Entmachtung schmerzte Adenauer zeitlebens. Denn öffentlich stellte sich kein Kölner gegen seine Absetzung, obwohl sich Adenauer als Oberbürgermeister immer sehr geliebt gefühlt hatte.
Die Nazizeit
Auch als Privatmann mit seiner Familie fühlte sich Adenauer nicht sicher vor den Nationalsozialisten. Daher bat er einen ehemaligen Schulfreund um Hilfe. Der Abt von Maria Laach nahm Konrad Adenauer vorübergehend in der Abtei auf.
Im April 1933 konnte er mit seiner Familie ein Haus in Potsdam beziehen, wo er allerdings im Juni 1934 in Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch für zwei Tage festgenommen wurde.
Adenauer versuchte, den Druck abzumildern und schrieb einen elfseitigen Brief, in dem er seine Verdienste für die NS-Bewegung beschrieb. Immerhin erwirkte Adenauer so eine jährliche Pension von 10.000 und ab 1937 sogar von 15.000 Reichsmark. Außerdem wurde er für die Beschlagnahmung seiner Kölner Villa entschädigt. Dennoch wechselte Adenauer immer wieder seinen Aufenthaltsort und versteckte sich.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Adenauer im Rahmen der Aktion "Gewitter", einer großen Verhaftungswelle, erneut verhaftet und in das Auffanglager auf dem Deutzer Messegelände in Köln gebracht. Auf einer Liste von Häftlingen, die ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht werden sollten, stand auch sein Name.
Doch da kam Hilfe von unerwarteter Seite: Der Kölner Kommunist Eugen Zander, der als Kapo für die neuen Häftlinge zuständig ist und Adenauer als Bürgermeister sehr geschätzt hatte, ließ ihn in ein Krankenhaus überweisen, von wo Adenauer fliehen konnte.
Die Gestapo kam nach Rhöndorf ins Haus der Adenauers und verhörte Ehefrau Gussi. Sie hielt dem Druck nicht stand und verriet das Versteck ihres Mannes im Westerwald. Wieder wurde Adenauer verhaftet. Gussi verzieh sich ihren Verrat nicht und versuchte sich umzubringen.
Im November erwirkte Sohn Max beim Reichssicherheitshauptamt die Entlassung seines Vaters. Adenauer erlebte das Ende des Zweiten Weltkriegs in seinem Haus in Rhöndorf.
Die zweite Entmachtung
Als die Alliierten Deutschland befreiten, waren zunächst die Amerikaner für Köln zuständig. Als einer ihrer ersten Schritte machten sie Konrad Adenauer wieder zum Oberbürgermeister. Der empfand das als Genugtuung – allerdings war seine Amtszeit schnell wieder beendet.
Denn als die Briten fünf Monate später die Hoheit über Köln bekamen, verlangten sie von Adenauer, den von ihm geschaffenen Grüngürtel abzuholzen, damit die Kölner im Winter etwas zu heizen hätten. Konrad Adenauer weigerte sich und wurde wegen Ungehorsams wieder aus dem Amt gejagt.
Seine Frau Gussi erkrankte in dieser Zeit schwer. Beide führten ihren schlechten Zustand auf die Verhöre der Gestapo zurück. 1948 starb sie – Konrad Adenauer war zum zweiten Mal Witwer.
Die Nachkriegsjahre
Ohne die zweite Entmachtung als Oberbürgermeister wäre Konrad Adenauer vielleicht nie Bundeskanzler geworden. So aber suchte er nach neuen Möglichkeiten, sich politisch zu betätigen. Geschickt brachte er sich bundesweit an die Spitze der neu gegründeten CDU. Dabei halfen ihm seine parlamentarische Erfahrung während der Weimarer Republik und seine natürliche Autorität.
Konrad Adenauer spricht im Parlamentarischen Rat
1948 wurde er zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates gewählt, in dem er maßgeblich an der Verfassung für einen zu schaffenden deutschen Weststaat mitarbeitete. Konrad Adenauer nutzte diesen Posten auch, um sich in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Bald wurde er quasi als Vertreter der Deutschen bei den Alliierten gesehen. Diese akzeptierten ihn auch deshalb, weil er durch die Verfolgung durch die Nazis eine reine Weste hat.
Die Kanzlerjahre
Als Konrad Adenauer 1949 vom Bundestag zum ersten Kanzler der jungen Bundesrepublik gewählt wurde, hatte er genaue Vorstellungen von seinem neuen Deutschland. Es sollte fest im westlichen Bündnis verankert sein. Es sollte eine soziale Marktwirtschaft haben, in der trotz sozialer Absicherung der Einzelne die Verantwortung für sich und seine Familie trägt.
Adenauer kurz vor seiner Vereidigung mit dem Bundeskabinett
Um den Alliierten die Souveränität abzutrotzen, befürwortete Adenauer nicht nur die Wiederbewaffnung und den Beitritt zur Nato, er paktierte auch insgeheim mit den Franzosen und Briten, für Europa eigene Atomwaffen zu beschaffen – ein Plan, der schließlich an Frankreichs Alleingang scheiterte.
Die Wiederbewaffnung so kurz nach dem Krieg stieß in der Bevölkerung allerdings auf starken Widerstand. Ein Höhepunkt seiner Karriere war 1955 Adenauers Reise nach Moskau. Dort unterschrieb er nicht nur den Vertrag über die gegenseitige diplomatische Anerkennung, sondern erreichte, dass Moskau der Heimkehr von 10.000 Kriegsgefangenen zustimmte.
Auch Anfänge einer Versöhnung mit Israel und die Aussöhnung mit Frankreich gehörten zu seinen großen Verdiensten.
Die dritte Entmachtung
14 Jahre lang amtierte Konrad Adenauer im Palais Schaumburg. In den letzten Jahren seiner Kanzlerschaft verließ Adenauer allerdings das politische Glück. Der Mauerbau 1961 ließ seine Politik der Westbindung als Weg zur Wiedervereinigung als gescheitert erscheinen. Bei der darauffolgenden Wahl 1961 verlor er denn auch die absolute Mehrheit.
Adenauer im Gespräch mit Erhard
Dennoch gelang es ihm, nochmals Kanzler zu werden, obwohl nicht nur der Koalitionspartner FDP gegen ihn war, sondern auch Parteifreunde. Beharrlich weigerte er sich, ein konkretes Datum für seinen Abtritt zu nennen.
Erst die so genannte "Spiegel-Affäre" 1962 brachte ihn dazu, sich auf den Herbst 1963 festzulegen. Seinen Nachfolger Ludwig Erhard verunglimpfte er allerdings auch noch nach dessen Wahl zum zweiten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Tod in hohen Würden
Am 19. April 1967 starb Konrad Adenauer im Alter von 91 Jahren in seinem Wohnort Rhöndorf. An seiner Beerdigung nahmen zahlreiche Staatsoberhäupter und Außenminister teil. Nach einem Staatsakt und einem feierlichen Trauergottesdienst im Kölner Dom wurde er auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf begraben.
Trauergottesdienst im Kölner Dom
Quelle: SWR | Stand: 30.03.2020, 16:50 Uhr