Kohlgemüse
Sauerkraut
Sauerkraut gilt als typisch deutsches Gericht. Dabei ist es schon seit Jahrtausenden bekannt, und zwar weltweit. Sauerkraut ist gut haltbar und entsteht durch einen natürlichen Gärungsprozess.
Von Martina Frietsch
Weißkohl, Salz und Druck
Sauerkraut ist keine eigene Kohlsorte wie Grünkohl oder Blumenkohl, denn grundsätzlich kann aus jedem Weißkohl Sauerkraut produziert werden.
Im Grunde sind nur zwei Zutaten nötig, um Sauerkraut zu machen: Weißkohl und Salz. Den Rest erledigen Milchsäurebakterien. Doch natürlich gibt es einiges zu beachten.
Zwar kann jeder Weißkohlkopf zu Sauerkraut verarbeitet werden, doch es gibt Sorten, die besser geeignet sind als andere. Besonders beliebt ist das Filderkraut aus dem Raum Stuttgart, ein spitzer Weißkohl, der besonders feines Sauerkraut ergibt.
In Deutschland am häufigsten angebaut: Weißkohl
Der Weißkohl wird nach der Ernte von den äußeren Blättern befreit, der dicke Strunk wird herausgeschnitten. Danach muss der Kohl gehobelt werden. Dies geschah früher in aufwändiger Handarbeit mithilfe spezieller Krauthobel, heute erleichtern Maschinen den Vorgang.
Dann werden die Kohlstreifen mit Kochsalz versetzt und in Gärbehälter gefüllt. Wichtig ist es jetzt, dass das Kraut ordentlich unter Druck gesetzt wird. Durch Druck und Salz werden die Zellwände des Kohls zerstört, Wasser und Luft entweichen, der Gärprozess kann beginnen.
Ein Job für die Milchsäurebakterien
Nun beginnen die Bakterien mit ihrer Arbeit: Sie vermehren sich, verbrauchen den noch übrig gebliebenen Sauerstoff und produzieren Milchsäure. Bereits innerhalb weniger Tage erhält der Kohl den typisch säuerlichen Geschmack, gleichzeitig wird die Entwicklung unerwünschter Keime gehemmt.
Nach zehn bis zwölf Tagen hat das so entstandene Sauerkraut einen Milchsäuregehalt von etwa einem Prozent. Je nach Produktionsart kann das Sauerkraut bereits jetzt verwendet werden. Manches macht auch einen Gärungsprozess von mehreren Monaten mit. Bei der industriellen Produktion wird das Sauerkraut meist noch erhitzt und so länger haltbar gemacht.
Geschichte des Sauerkrauts
Auch wenn Sauerkraut als typisch deutsches Gemüse gilt: Erfunden hat es ganz sicher jemand anderes. Vermutlich entwickelte sich die Methode, Kraut einzulegen und zu vergären, in mehreren Regionen der Erde unabhängig voneinander. Sicher ist, dass die Chinesen bereits vor Jahrtausenden für ihre Kohlsorten die Milchsäuregärung ausnutzten.
Ihnen war ebenso wie den Römern und Griechen der Antike bekannt, dass das gesäuerte Kraut nicht nur gut haltbar ist, sondern auch ausgesprochen gesund ist. Schon der Arzt Hippokrates kannte Sauerkraut, und der römische Kaiser Tiberius versorgte seine Soldaten während der Feldzüge damit.
Schon Hippokrates kannte Sauerkraut
Wie das Sauerkraut sich in Europa verbreitete, ist bis heute nicht geklärt. Möglicherweise brachten es die Römer in die von ihnen eroberten Gebiete mit. Manche vermuten auch, dass mongolische Stämme die chinesische Variante des sauren Krauts im 13. Jahrhundert Richtung Europa brachten.
Vitaminbombe Sauerkraut
Ab dem Mittelalter war es dann auch in den nördlicheren Regionen Europas üblich, Kohl im eigenen Garten anzubauen. Sein Sauerkraut produzierte jeder selbst – eingelegt in Fässer und den ganzen Winter haltbar.
In der Zeit, in der Gemüse nur durch Einlegen, Einsäuern oder in gedörrter Form konserviert werden konnte, kam dem Sauerkraut eine wichtige Rolle als Vitaminlieferant für die kalte Jahreszeit zu.
Das wussten auch die Seefahrer wie James Cook, der Sauerkraut fassweise auf seine langen Fahrten mitnahm, um so zu verhindern, dass die Mannschaft an Skorbut litt – einer Krankheit, die durch Mangel an Vitamin C ausgelöst wird.
Gerade die englischen Seeleute setzten auch auf Zitronensaft, der ebenfalls ein wichtiger Vitaminlieferant ist. Allerdings konnte die Zitrone das Sauerkraut nicht verdrängen, da Kohlgemüse schlicht billiger war.
James Cook nahm Sauerkraut auf seine Seefahrten mit
Im 19. Jahrhundert begannen in Deutschland Kohlanbau und Sauerkrautproduktion in großem Stil. Es entstanden die großen Anbaugebiete um Dithmarschen, auf den Fildern bei Stuttgart, bei Merkendorf in Bayern, in der Südpfalz und in Nordrhein-Westfalen.
Die Hungerzeiten in und nach den beiden Weltkriegen machten Kohl – und damit auch Sauerkraut – noch einmal zu einem besonders wichtigen Gemüse auf deutschen Speiseplänen. Doch danach ebbte das Interesse ab.
Kühlschränke, Konserven, Krautfässer
Mit der modernen Lebensmittelproduktion, Importen und besseren Methoden für die Haltbarmachung verlor der Kohl langsam an Bedeutung. Gemüse aller Art wurde nach und nach ganzjährig verfügbar, konnte gekühlt oder in Konservendosen gekauft werden.
Kohl galt fortan eher als Arme-Leute-Essen. Viele kleine Betriebe, die Kohl anbauten, gaben auf. Großbetriebe übernahmen die Kohl- und die Sauerkrautproduktion.
Doch ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein und der Griff zu regionalen Produkten machen das Sauerkraut heute wieder interessant. Was wissenschaftlich belegt wird, wird von den Konsumenten auch gerne genutzt.
Sauerkraut ist sehr kalorienarm, fettlos, enthält viele Ballaststoffe, Mineralstoffe, Milchsäure und dazu die Vitamine A, B, C, E und K – kurzum: Es ist äußerst gesund und kommt dazu meist noch aus heimischer Produktion. Heute sind in Supermärkten auch Sauerkrautsäfte verfügbar, die in der Naturheilkunde vor allem bei Darmproblemen eingesetzt werden.
Denn Sauerkraut hilft, die Darmflora zu regenerieren. Die Milchsäure ist in der Lage, Keime abzutöten. Und auch wenn ein deftiges Sauerkrautmenu noch so reizvoll ist: Die beste Wirkung entfaltet das Sauerkraut, wenn es roh gegessen wird.
(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 27.10.2020)
Quelle: SWR