Grabfigur Engel.

Tod und Trauer

Sterben

Sterben ist mehr als der letzte Atemzug oder das Verlöschen des Pulsschlags. Es ist ein Prozess und kann sich über eine längere Zeit hinziehen. Mediziner unterscheiden drei Phasen des Todes: den klinischen Tod, den Hirntod und den biologischen Tod.

Von Irina Fernandes

Während die Merkmale des biologischen Todes, also beispielsweise Totenflecken und Leichenstarre, eindeutig sind, wird über die Zuverlässigkeit des Hirntod-Konzeptes diskutiert. Dieses ist vor allem bei Organ-Transplantationen von großer Bedeutung.

Der klinische Tod

Beim klinischen Tod kommt es zu einem Kreislaufstillstand: Die Atmung setzt aus, der Puls ist nicht mehr fühlbar, die Sinne fallen aus. Der Sauerstoffmangel sorgt dafür, dass die Organe absterben.

Als erstes ist das Gehirn betroffen. Bereits drei bis fünf Minuten nach dem Kreislaufstillstand ist es unumkehrbar geschädigt. Nur wenn der Mensch schon vorher wiederbelebt wird, kann er mit etwas Glück wieder ganz gesund werden.

Der Hirntod

Beim Hirntod sind alle Funktionen des gesamten Gehirns erloschen – also im Großhirn, Kleinhirn und Stammhirn. Einige Anzeichen dafür: Der Mensch ist bewusstlos, atmet nicht mehr von alleine und seine Hirnstammreflexe sind ausgefallen.

Das bedeutet etwa, dass seine Pupillen nicht mehr auf unterschiedlichen Lichteinfall reagieren und dass der Hustenreflex nicht mehr funktioniert. Auch Hirnströme können nicht mehr gemessen werden.

Für viele Angehörige ist es schwer zu begreifen, dass der Patient tot sein soll, denn er sieht nicht so aus: Sein Brustkorb hebt und senkt sich und auch sein Herz schlägt noch. Doch das geht nur, weil die lebenserhaltenden Maßnahmen der Intensivmedizin dafür sorgen.

Der biologische Tod

Nach dem klinischen Tod und dem Hirntod folgt der biologische Tod. Das bedeutet, dass alle sogenannten Vitalfunktionen des Körpers zum Stillstand gekommen sind, also etwa die Reflexe und alle Stoffwechselprozesse. Die Verwesung beginnt.

In dieser letzten Phase weist der Körper des Toten die sogenannten sicheren Todesmerkmale auf: Schon nach etwa 20 bis 30 Minuten sind Totenflecken zu sehen.

Diese bläulich-roten Flecken entstehen, wenn durch den Stillstand des Herzens der Blutstrom zum Erliegen kommt. Das Blut wird nicht mehr durch den Körper gepumpt, sondern sammelt sich an den Stellen, auf denen der Leichnam liegt, bei Rückenlage also an der Rückseite. An den Stellen, wo das Gewicht des Körpers auf den Untergrund drückt, bleibt die Haut hell.

Ein stilisiertes Elektrodiagramm: Inder Mitte formt die Kurve ein Herz.

Das Herz schlägt weiter, doch das Gehirn ist tot

Nach wenigen Stunden setzt die Totenstarre ein, die sich nach zwei Tagen wieder von selbst lockert. Sie beginnt mit bei den Augen, dann kommen Kiefer, Hals und Rumpf.

Da Muskelfasern sehr schnell zerfallen, ist die Leichenstarre nach rund 48 Stunden wieder aufgehoben. Dann beginnt der massive Zerfall des Körpers durch Enzyme und Bakterien.

Umstrittenes Hirntod-Konzept

Das Konzept des Hirntodes ist umstritten. Es wurde 1968 eingeführt, nachdem erste Organtransplantationen vorgenommen wurden. Damals hatten die Mediziner keine Entscheidungsgrundlage, wann sie die noch funktionierenden Organe entnehmen durften, ohne sich des Mordes strafbar zu machen.

Ein weiteres Thema waren der medizinische Fortschritt und die verbesserten lebenserhaltenden Maßnahmen. Viele Menschen, die in einem sogenannten irreversiblen Koma lagen, belegten Krankenhausplätze und verbrauchten die knappen Ressourcen.

Ein 13-köpfiges Komitee kam an der Harvard Medical School zusammen und veröffentlichte die auch heute noch gültigen Annahmen zum Thema Hirntod: Tot ist ein Mensch dann, wenn sein zentrales Nervensystem – und damit auch das Gehirn – keine Reaktionen mehr zeigt.

Dazu gehören mehrere Bedingungen:

  • Das Gehirn ist akut schwer geschädigt.
  • Der Mensch ist bewusstlos, zeigt keine Reflexe mehr, der Atemstillstand ist eingetreten.
  • Der Hirntod ist irreversibel.

Um diese Punkte sicher abzuklären, folgen die Diagnostiker einem festgelegten Protokoll. Die Irreversibilität wird je nach Hirnschädigung erst bis zu drei Tage nach dem Tod geprüft. Außerdem muss der Hirntod von zwei erfahrenen Medizinern unabhängig voneinander festgestellt werden. 1997 wurde das Hirntod-Konzept in das Transplantationsgesetz aufgenommen.

Körperliche Reaktionen trotz Hirntod

Bereits kurz danach stand das Konzept in der Kritik, weil der Hirntod nicht immer definitiv festzustellen sei. Eine Studie des Neurologen Dr. Hermann Deutschmann im Jahr 2004 belegte, dass bei diesem Prozess Fehler geschehen können.

Als Leiter eines Bereitschaftsteams der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurde er zwischen 2000 und 2005 zu 230 Menschen in Niedersachsen gerufen, bei denen die behandelnden Mediziner davon ausgingen, dass jene hirntot seien.

In 30 Prozent der Fälle war dies jedoch nicht der Fall. Experten wie Deutschmann forderten deshalb eine zertifizierte Ausbildung für Hirntoddiagnostiker, die durch die Bundesärztekammer festgelegt wird.

Nach acht bekannt gewordenen Fällen über Unstimmigkeiten bei der Hirntoddiagnostik verschärfte die Bundesärztekammer ihre Richtlinien 2015: Einer der beiden Ärzte, die den Hirntod feststellen, muss seitdem Neurologe oder Neurochirurg sein.

Illustration eines Gehirns.

Das Gehirn im Mittelpunkt der Diskussion

Außerdem diskutieren Wissenschaftler darüber, ob das Hirntod-Konzept wirklich vollständig klärt, wann ein Mensch tot ist. Bei einer Diskussionsveranstaltung des Deutschen Ethikrates im März 2012, auf der sich Experten mit genau dieser Frage und den damit verbundenen Konsequenzen für die Transplantationsmedizin beschäftigten, kamen verschiedene Aspekte zur Sprache:

Der US-Neurologe Alan Shewmon vertrat die Meinung, dass den Tod die "fehlende Integrationsfähigkeit des gesamten Organismus" kennzeichne. Beim Hirntod jedoch sei es möglich, dass der Körper auch ohne Hirnfunktion körperliche Reaktionen zeige, beispielsweise die Regulierung der Körpertemperatur.

Auch dass eine hirntote Frau ein Kind austragen könne, führte Shewmon als Argument gegen den Hirntod an. Stefanie Förderreuther, Neurologin am Klinikum der Universität München, widersprach Shewmon: "Ohne Gehirn ist der Mensch als körperlich-geistige Einheit nicht mehr existent."

Zwischenstadium von Leben und Tod

Ralf Stoecker wiederum, Professor für Angewandte Ethik an der Universität Potsdam, versuchte das Dilemma aufzulösen, dass nur tote Menschen als Organspender infrage kommen, um kranke Menschen zu retten.

Er sieht hirntote Patienten in einem Zwischenstadium von Leben und Tod – deshalb müsse man sie entsprechend einerseits wie Lebende behandeln, andererseits könne man ihnen kein Leid mehr antun, weil man sie keiner Zukunft mehr berauben könne. Dadurch sei eine Organentnahme ethisch zu rechtfertigen.

(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 21.06.2019)

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Quelle: WDR

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