Produktion von Wirkware.

Industrialisierung in Deutschland

Pioniere der Textilindustrie auf der Alb

Erfinder und Pioniere spielten zu Beginn der Industrialisierung eine große Rolle, auch auf der Schwäbischen Alb. Viele Trikotfabrikanten arbeiteten sich aus kleinsten Verhältnissen empor. Dazu brauchte es nicht nur Fleiß und Disziplin.

Von Susanne Goebel

Für die Pioniere des 19. Jahrhunderts war ein 18- bis 20-Stundentag eher die Regel als die Ausnahme, sie waren Arbeiter und Unternehmer zugleich. Selbst wenn es aufwärts ging, wenn weitere Maschinen gekauft und Arbeiter eingestellt werden konnten – oft aus Familie und Verwandtschaft – unterschieden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht wesentlich.

Gefragte Eigenschaften waren Mut, Erfindergeist und Weitblick. Wie in vielen Regionen Deutschlands üblich, holte sich die Maschenindustrie in Albstadt das Know-how aus der Ferne: Der erste Strumpfwebstuhl stammte aus England. Dort hatte bereits 1589 ein Pfarrer, William Lee aus Nottingham, diesen genialen Wirkstuhl erfunden.

Doch dieser frühe Flachwirkstuhl hatte einen entscheidenden Nachteil: Der Handwerker kam – wie der Weber auf dem Webstuhl – nach jeder Reihe an einen toten Punkt: Der Faden musste wieder zurückgeführt, es musste also hin und her gearbeitet werden.

Schwarz-weiß-Aufnahme eines Rundwirkstuhles.

Rundwirkstuhl

Erst der sogenannte Rundwirkstuhl brachte den Durchbruch: Ein gewisser Johannes Maute soll ihn im Jahr 1836 nach Ebingen gebracht haben. Einem Franzosen namens Decroix war es zu verdanken, dass die Nadeln in dieser neuen Maschine ringförmig gelagert wurden. So konnte endlich ein fortlaufender Maschenbildungsprozess erreicht werden, ohne Unterbrechung.

Die sogenannte Schlauchware wurde von da an viel schneller und effizienter produziert, auf Leibweite und ohne Seitennähte. Die teuren Rundwirkstühle mussten anfangs allerdings noch durch "Drillen" von Hand betrieben werden.

Skizze eines Handculierstuhles.

Handculierstuhl

Auch die nächste Erfindung kam aus Frankreich. Honoré Frédéric Fouquet hatte 1834 in Troyes eine Rundwirkmaschinenfabrik gegründet und einige Jahre später (1845) das nach ihm benannte Fouquet'sche Maschenrad erfunden. Dieser Mann konnte 1851 durch die Zentralstelle für Handel und Gewerbe bewogen werden, seinen Betrieb 1873 ganz in die Nähe zu verlegen, nach Rottenburg am Neckar.

Ein Problem der Schwäbischen Alb war allerdings, dass sie nicht nur verkehrsfern lag, sondern auch kaum über Bodenschätze oder  Wasserkraft verfügte. Bevor ab etwa 1880 Maschinen mit Dampfkraft angetrieben wurden, war daher die menschliche Arbeitskraft auch als Antriebskraft gefragt.

Erst mit dem Bau der Eisenbahn – 1878 der Zollernbahn und 1901 der Talgangbahn – konnten endlich Kohlen für die Dampfmaschinen in großem Stil hierher transportiert werden. Ab diesem Zeitpunkt konnten sich viele kleine Betriebe vergrößern und auf Dampfkraft umstellen. Sie nannten sich von da an "Mechanische Trikotwarenfabriken", wie die Firmen Conzelmann & Bitzer aus Tailfingen oder Balthasar Blickle aus Albstadt.

Mann mit ärmellosem Ganzkörper-Anzug aus Trikotstoff

Aus der Kollektion der Firma Balthasar Blickle

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Quelle: SWR | Stand: 06.02.2020, 15:20 Uhr

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