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Wirtschaft

Kapitalismus

Der Kapitalismus bestimmt nicht nur unsere Wirtschaftswelt, sondern auch Gesellschaft, Bildung, ja sogar Freizeit und Privatleben. Doch was ist  das eigentlich, "der Kapitalismus"?

Von Martina Frietsch

Kapitalistische Formenvielfalt

Was ist der Kapitalismus? Es kommt ganz darauf an, wen man fragt. Seit der Begriff geprägt wurde, haben viele Theoretiker versucht, ihn zu definieren – mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Dazu kommt, dass es den Kapitalismus in der Reinform im Grunde nicht gibt. Er entwickelt und ändert sich; es gibt verschiedene zeitliche Phasen und verschiedene Ausprägungen.

Der angelsächsische Kapitalismus in Nordamerika unterscheidet sich von dem in Europa. Und in Europa gibt es wiederum unterschiedliche Formen, beispielsweise den deutschen, der "Rheinischer Kapitalismus" genannt wird. Eine ganz andere Spielart entsteht seit einigen Jahren in China, Brasilien und Indien: der sogenannte Staatskapitalismus.

Wichtige Grundlagen

Grundsätzlich handelt es sich beim Kapitalismus nicht einfach um Geld und auch nicht einfach um Handel oder Märkte. All das gibt es schon sehr lange. Vielmehr ist der Kapitalismus eine ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die bestimmte Merkmale aufweist und diese auch braucht, um zu funktionieren.

Zentral ist die Ausrichtung auf Wachstum. Technikeinsatz und Investitionen sorgen dafür, dass immer mehr Waren und Dienstleistungen produziert werden können. Dabei befinden sich sowohl das eingesetzte Geld wie auch Fabriken und Maschinen überwiegend in Privatbesitz.

Gesteuert wird die Wirtschaft, in der Großkonzerne eine beherrschende Stellung haben, dezentral und über den Markt. Der Staat greift nur ein, wenn es nötig ist – beispielsweise wenn es um Soziales oder das Wettbewerbsrecht geht.

Gute Löhne und starke Gewerkschaften, die sie durchsetzen, sind ebenfalls eine wichtige Säule, ohne die das System Kapitalismus nicht funktioniert. Wichtig deshalb, weil auch die Arbeitnehmer profitieren müssen. Ohne sie gäbe es schließlich keine Märkte für  die Waren.

Gewerkschafter stehen bei einem Warenstreig der Gewerkschaft IG Metall auf einem Platz.

Starke Gewerkschaften sorgen dafür, dass auch die Arbeitnehmer profitieren

Die Entstehung

Als der Kapitalismus etwa Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts in Nordengland entstand, geschah dies völlig unbemerkt. Eine der Voraussetzungen, die er zum Gedeihen brauchte, war das hohe Lohnniveau der Arbeiter. Es sorgte dafür, dass England international mit seinen Textilien nicht mehr konkurrenzfähig war. Erstmals lohnte sich nun der teure Einsatz von Technik, um produktiver zu werden und die ausländische Konkurrenz zu überflügeln.

Neue Techniken wie der mechanische Webstuhl, die mechanische Spinnmaschine und die Dampfmaschine machten diese Entwicklung möglich. Dazu kamen Investitionen in die Infrastruktur – in das neu entstehende Eisenbahnnetz und in den Ausbau von Kanälen und Straßen.

Illustration einer alten Dampfmaschine

Die Dampfmaschine war Motor der neuen Technik

Erste Krisen

Die Wirtschaft wuchs und dennoch entstand in England eine Schieflage: Die breite Masse der Arbeitnehmer wurde immer ärmer. Grund dafür war das Fehlen einer wichtigen Säule des Kapitalismus: der Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer.

Erst ihre Gründung und ihr Eintreten für die Arbeiter sorgten dafür, dass auch die Werktätigen profitierten, dass der Lebensstandard stieg und gleichzeitig die Wirtschaft weiter angekurbelt wurde.

Seine schlimmste Krise erlebte der Kapitalismus 1929: Am Doonerstag, dem 24. Oktober nahm die Weltwirtschaftskrise in den USA mit dem Börsencrash ihren Anfang. Wegen der Zeitverschiebung wird der Crash in Europa als "Schwarzer Freitag" bezeichnet, da es zum Zeitpunkt der starken Kursverluste dort schon nach Mitternacht war.

Dem vorausgegangen waren Jahre steigender Produktivität und Gewinne, während die Löhne in den USA eher stagnierten. In der Folge schrumpfte der Absatzmarkt und die Unternehmer saßen buchstäblich auf ihrem Geld.

Zum Problem der zu geringen Löhne kam nun ein zweites hinzu: Die Kapitaleigner fingen an zu spekulieren und ihr Geld mehr oder minder unkontrolliert am Finanzmarkt zu vermehren, bis das Kartenhaus aus Scheingewinnen und Spekulationen in sich zusammenfiel.

Eine mehrjährige weltweite Wirtschaftskrise war die Folge. Schon damals zeigte sich, dass der Kapitalismus in manchen Bereichen auf einen starken Staat und auf Regulierungen angewiesen ist.

Schwarz-weiß-Kopie der Titelseite der Brooklyn Daily Eagle vom 24.120.1929.

Beginn der Weltwirtschaftskrise: der Börsencrash in den USA

Was kommt danach?

Der Kapitalismus überstand die Krise – und wurde viele Jahrzehnte lang stärker reguliert. Mit dem Wegfall des "Konkurrenten" Kommunismus Ende der 1980er-Jahre änderte sich die Situation jedoch wieder. Vormals sozialistische Staaten wie Russland und China wandten sich der freien Marktwirtschaft zu. 

Die kapitalistischen Staaten des Westens setzten auf Deregulierung, um Wachstumshemmnisse zu beseitigen. Eine neue Phase begann: die des sogenannten "Turbokapitalismus".

Und während an den Finanzmärkten Traumsummen verdient werden, tritt die Realwirtschaft auf der Stelle, die Löhne bleiben niedrig und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter.

Bereits zweimal kam es seit der Jahrtausendwende zu weltweiten Krisen, einmal ausgelöst durch die sogenannte "Dotcom-Blase" 2000, den Zusammenbruch des Markts für neue Technologieunternehmen. Und bereits 2007 wieder, nachdem in den USA die sogenannte "Immobilien-Blase" geplatzt war.

Und in Zukunft? Es gibt weltweit viele Vorschläge, wenn es darum geht, die Finanzkrisen künftig zu verhindern sowie das Wirtschaftswachstum ökologisch und sozial verträglich zu gestalten. Ein Patentrezept gibt es jedoch (noch) nicht.

(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 13.09.2019)

Quelle: SWR

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