Wirtschaft

Wege zur Macht – Chinas neue Seidenstraße

Mit dem gigantischen Infrastruktur-Projekt "Neue Seidenstraße" will die chinesische Regierung ihren Großmacht-Status festigen. Die Anfänge sind bereits gemacht. Aber es gibt auch eine Menge Hürden.

Von Beate Krol

Der Mythos Seidenstraße lebt wieder auf

"Think big" – dieses Motto gilt für viele Projekte in China. Keines aber ist derart gigantisch wie die "Belt and Road Initiative", die auch unter dem Namen "Neue Seidenstraße" bekannt ist. Mehr als 1000 Milliarden Dollar will die chinesische Regierung in Gleise, Straßen, Häfen und Brücken in über 100 Ländern investieren.

Am Ende soll ein weit verzweigtes Transport- und Handelsnetz stehen, das die aufstrebende Großmacht noch enger als bisher mit der Welt verbindet. Ganz so wie einst die alte Seidenstraße, das historische Vorbild.

Zusammengehalten werden soll die "Neue Seidenstraße" von drei Hauptrouten. Die bereits bestehende nördliche Landroute zieht sich über Russland in die Europäische Union (EU), die südliche erreicht die EU über den Iran.

Dazu kommt die maritime Seidenstraße, die bis zum pakistanischen Hafen Gwadar entlang der asiatischen Küste verläuft, um sich dort Richtung Afrika und EU zu teilen. Die Handelsgroßmacht USA kommt in den Plänen der chinesischen Regierung dagegen nicht vor.

Nördliche Route der Neuen Seidenstraße (lila), südliche (türkis) und maritime Route (blau) | Bildquelle: SWR

Start der neuen Seidenstraße

Die Anfänge sind bereits gemacht. Im Duisburger Hafen fertigen die Mitarbeiter jede Woche 60 Güterzüge ab, die auf der gut 10.000 Kilometer langen Nordroute zwischen China und dem größten europäischen Binnenhafen hin- und herpendeln.

Von Duisburg aus geht es für die chinesischen Waren per Zug oder Lkw weiter. Umgekehrt gelangen europäische Produkte über Duisburg nach China, wo der Duisburger Hafen an zwölf Bahnterminals beteiligt ist.

Die Neue Seidenstraße Planet Wissen 23.03.2023 02:12 Min. Verfügbar bis 09.03.2027 SWR

An den anderen Routen wird eifrig gebaut. In Sri Lanka ist mithilfe von chinesischen Krediten und Firmen ein Flughafen entstanden, in Kenia, Ungarn und Serbien haben chinesische Eisenbahnfirmen Schienentrassen verlegt. In Pakistan ist der Pazifikhafen Gwadar ausgebaut worden. Ebenfalls in Pakistan treiben chinesische Bauarbeiter und Ingenieure kilometerlange Tunnel durch das Karakorum-Gebirge und überspannen die weiten Schluchten mit Brücken.

Politisch instabil: Die uigurische Provinz Xinjiang ist ein wichtiger Transportknotenpunkt der neuen Seidenstraße | Bildquelle: Imago

Auch in China selbst geht es voran. Ganz besonders im noch wenig entwickelten Westen. Laut chinesischer Regierung soll die autonome uigurische Provinz Xinjiang zum Transportknotenpunkt der Neuen Seidenstraße werden.

Entsprechend ist Geld in neue Straßen und Schienen, aber auch Städtebauprojekte geflossen. In der Stadt Korgas an der Grenze zu Kasachstan ist zudem ein riesiger Verladebahnhof für Container entstanden.

Xinjiang wird anschlussfähig gemacht Planet Wissen 23.03.2023 01:35 Min. Verfügbar bis 09.03.2027 SWR

Probleme mit den Partnerstaaten

Den Fortschritten stehen aber auch eine Menge Probleme gegenüber. Die chinesische Regierung muss mit mehr als hundert Staaten kooperieren. Anfangs waren viele begeistert. Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt.

So haben sich die Seidenstraßen-Projekte keineswegs zu dem Jobmotor entwickelt, den sich die Staaten versprochen haben. Denn China investiert nur, wenn chinesische Firmen den Erstzuschlag bei den Projekten haben. Außerdem drohen die Infrastrukturprojekte bei Kreditausfall an chinesische Unternehmen überzugehen.

Die Herausforderungen: baulich, finanziell, politisch Planet Wissen 23.03.2023 02:06 Min. Verfügbar bis 09.03.2027 SWR

Durch diese Praxis ist viel Unmut entstanden. China knebele die Staaten, heißt es. Um das Seidenstraßen-Projekt nicht zu gefährden, hat Staatspräsident Xi Jinping deshalb mehr Transparenz angekündigt und in Aussicht gestellt, dass künftig auf Augenhöhe verhandelt wird.

Ob die Staaten Xis Worten trauen werden und weiter mit China kooperieren, ist fraglich. Schon jetzt steht mit Russland einer der wichtigsten Transitstaaten auf der Bremse, weil die neue Seidenstraße mit der von Russland favorisierten eurasischen Wirtschaftsunion konkurriert.

Schließlich gefährden auch bewaffnete Konflikte die Seidenstraßen-Pläne. Viele Anrainerstaaten sind politisch instabil, was nicht nur die Bauarbeiten, sondern auch die anschließende Unterhaltung und Nutzung der neuen Infrastruktur riskant macht.

In Pakistan sind chinesische Arbeiter und Ingenieure sogar von Separatisten ermordet worden. Dazu kommen geopolitische Streitigkeiten um den Iran, der als Durchgangstor für die Südroute fungiert. Maximilian Mayer, China-Experte an der Universität Bonn, hält diese Strecke deshalb für eine "Fata Morgana".

Bei der "neuen Seidenstraßen-Initiative" muss China mit über 100 Staaten kooperieren | Bildquelle: Imago

Was China mit der neuen Seidenstraße gewinnt

Angesichts all dieser Schwierigkeiten stellt sich die Frage, warum China das Seidenstraßen-Projekt trotzdem umsetzen will. Tatsächlich kann der chinesische Staat dabei viel gewinnen. Chinas Wirtschaft leidet seit Jahren unter Überkapazitäten, besonders im Bausektor, außerdem stockt das Wachstum.

In anderen Ländern die Infrastruktur aufzubauen und neue Märkte zu erschließen, sichert Arbeitsplätze und hilft der Kommunistischen Partei das Wohlstandsversprechen einzulösen, auf dem ihre Macht wesentlich beruht.

Nach außen demonstriert China mit dem neuen Seidenstraßen-Projekt, dass es selbstbewusst, stark und international akzeptiert ist – Eigenschaften, die eine Großmacht ausmachen. Gelingt es der chinesischen Regierung tatsächlich, das Projekt umzusetzen, hat das neue Seidenstraßen-Projekt zudem das Zeug, die Welt zu verändern. Anstelle von Amerika und Europa stehen dann Asien und Europa im Mittelpunkt.