Comics

Manga

Manga-Comics sind auch in Europa sehr beliebt. In ihrem Heimatland sind sie allerdings viel mehr als schöne bunte Bilder.

Von Martin Horn

Die Anfänge im Kloster

Im Westen ist "Manga" vor allem die Bezeichnung für Comics aus Japan. Mittlerweile wird der Begriff aber auch für Comics aus anderen Ländern verwendet, die sich am japanischen Stil orientieren. In Japan wiederum werden die meisten Comics Manga genannt.

Die Geschichte der Manga beginnt schon im 8. Jahrhundert, wo buddhistische Mönche auf Bilderrollen (Emakimono) Tiere zeichneten, die sich wie Menschen verhalten.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als sich Japan dem Westen öffnete, hatten die Werke kaum etwas mit dem Manga von heute gemein.

Erstmals verwendet wurde der Begriff 1814 von den Holzschnittkünstler Katsushika Hokusai, der erstmals unter der Bezeichnung Manga (Japanisch für: bunt gemischte oder kunterbunte Bilder) eine Reihe von Skizzen zeichnete.

Diese zeigen Momentaufnahmen der japanischen Kultur und Gesellschaft der Edo-Zeit.

Namensschöpfer des Mangabegriffs: Katushika | Bildquelle: dpa Picture-Alliance / Emily Wabitsch

Zensur und Krieg bestimmen den Manga

Der Einfluss aus dem Westen auf das Land der aufgehenden Sonne wurde größer. So kam es zur Neugründung zahlreicher Magazine wie Charles Wirgman's The Japan Punch.

Als erster Vorreiter von Manga, wie man ihn heute kennt, gilt die Geschichte des Mangaka (Comiczeichner) Rakuten Kitazawa Tagosakus und Mokubes Besichtigung von Tokio von 1902.

Die Künstler zeichneten die Manga zunächst in Schwarz-Weiß. Der wohl offensichtlichste Unterschied zu den Comics aus dem Westen ist aber wohl die Art und Weise, wie man den Comic liest:

Der Leser fängt nicht links an, sondern rechts, also mit der vermeintlich letzten Seite und liest so gesehen von hinten nach vorne.

Bis in die 1950er-Jahre hinein unterstanden die Manga einer strengen Zensur. Die Autoren behandelten vor allem die Themen, die vom Staat gewünschte waren.

Die Geschichten sollten Werte wie Loyalität, Tapferkeit und Stärke in der Bevölkerung fördern. Insbesondere in den 1940er-Jahren nutzte die Regierung die Manga für ihre Propagandazwecke.

Nach der Zensur der Durchbruch

Nach dem Zweiten Weltkrieg sehnten sich viele Menschen in Japan nach Ablenkung. Die US-Amerikaner erkannten das Potenzial der Mangas und nutzten es für ihre Zwecke. Das Ziel: die Umerziehung und Demokratisierung der japanischen Bevölkerung.

Für die Überwachung der Inhalte unterstützten sie im Gegenzug die Manga-Industrie, besorgten Papier und Zeichenutensilien. Um hohe Auflagenzahlen zu erreichen, stellten die meisten Verlage ihre Produktion auf einfarbige Billigexemplare ohne künstlerischen Anspruch um.

Da sie einen roten Umschlag hatten, wurden die preisgünstigen, dünnen Hefte unter dem Namen Akahon bekannt, rotes Buch.

Markenzeichen von Mangafiguren: große Augen | Bildquelle: Alamy / mauritius images

Osamu Tezuka: Begründer der modernen Manga

Der Siegeszug der Manga nach dem Zweiten Weltkrieg ist besonders mit einem Namen verknüpft: Osamu Tezuka. Der wichtigste Mangaka, wie Comiczeichner in Japan genannt werden, gilt als der Begründer der modernen Manga- und Animeindustrie. Er schuf die wesentlichen Grundlagen für den heutigen Mangastil, darunter die besonders großen Augen der Figuren.

Durch die ersten Disneyfilme inspiriert, richtete er sich mit seinen Werken zum ersten Mal direkt an Kinder. Auch legte er mit Gründung seines Animationsstudios das Fundament der Anime-Industrie und initiierte den Übergang vom Gagstrip zum "Story Manga", in dem sich Geschichten über mehrere Sammelbände erstreckten.

Im Laufe seines Lebens zeichnete Osamu Tezuka etwa 150.000 Seiten, veröffentlichte 700 Mangas und erschuf 60 Zeichentrickfilme. Als er im Jahr 1989 an Krebs starb, wurde er stärker betrauert als der kurz zuvor verstorbene Kaiser. In Japan wird er auch als "Manga no Kami sama" (Japanisch für: Gott des Mangas) bezeichnet.

Osamu Tezuka (1928-1989) ist für viele Fans der "Gott des Mangas" | Bildquelle: picture-alliance/ dpa

Genres für Jedermann

Kennzeichnend für die Manga-Kultur ist bis heute die Bandbreite der Leserschaft und die Unterteilung der Mangas in vielfältige Genres, wie es sie bei westlichen Comics nicht gibt. Die größten Genres stellen die Manga für Jugendliche bis 18 Jahre dar: die "Shonen Manga" für Jungen sowie die "Shojo Manga" für Mädchen. 

Die Shonen Manga für die Jungen thematisieren überwiegend Action, Science Fiction, Horror, Erotik, aber auch Alltagsprobleme. Oft ist ein junger Mann der Protagonist, der sich in Kämpfen und Abenteuern immer stärkeren Gegnern stellen muss und sich dadurch weiterentwickelt.

Shonen Manga: für Jungs und Männer

Hier wird weniger Wert auf eine detaillierte Darstellung der Personen als vielmehr auf Kampfszenen sowie die Hintergründe gelegt. Deshalb sind die Charaktere oft sehr schlicht gezeichnet. Insgesamt richten die Mangaka ihre Aufmerksamkeit eher auf das Umfeld, in dem sich die Protagonisten bewegen, als auf die Hauptfiguren selbst.

International erfolgreich waren zum Beispiel Dragon Ball (1984) von Akira Toriyama oder Akira (1982) von Katsuhiro Otomō.

Shonen Manga werden nicht ausschließlich von Jungen gelesen, sondern auch von älteren Männern und Mädchen, weshalb sie die Sparte mit den höchsten Auflagenzahlen in Japan bilden.

Shōjo Manga: für Mädchen und Frauen

Shōjo Manga handeln von vorwiegend von Romantik, Mystery oder dem Alltag. Sie heben sich vor allem durch einen anderen Zeichenstil von Shōnen Mangas ab. Hier gibt es keine eindeutige Begrenzung der Panels mehr. Oft laufen die Einzelbilder auch einfach ohne äußere Begrenzung ineinander über.

Dazu kommen Symbole, wie Blüten, Feder oder Blätter, die den Zeichnungen eine romantische verträumte Wirkung verleihen. Im Gegensatz zu den Shōnen Mangas liegt hier der Fokus mehr auf den Hauptcharakteren, die detailreicher gezeichnet sind. Haare, Augen und Kleidung – die Zeichner achten sehr genau auf die Feinheiten.

Große Erfolge feierte der Shōjo Manga mit Riyoko Ikedas Die Rosen von Versailles oder Yumiko Igarashis Candy Candy. Den bislang größten Erfolg verzeichnete jedoch NaokoTakeuchis Sailor Moon, das Mitte der 1990er als Comic- und vor allem Zeichentrickserie in 23 Länder exportiert wurde.

Wirtschaft und Kulturgut Nummer eins

Der hohe Stellenwert, den die Manga-Kultur in der Gesellschaft Japans einnimmt, ist nicht mit der Bedeutung der Comics in westlichen Ländern zu vergleichen. Comics sind in Japan als Medium und Kunstform anerkannt und werden von Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen konsumiert.

Auch für die Wirtschaft sind Manga wichtig. Fast 40 Prozent der Druckerzeugnisse in Japan sind Manga. Die Verlage erwirtschaften etwa vier Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Statistisch gesehen kauft jeder Japaner 15 Manga im Jahr. Wohl auch daher hält sich das Gerücht, dass Japan mehr Papier für Manga als für Klopapier benötigt.

(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 05.05.2020)