Der Gotthard in alter Zeit
Der Gotthard hat seit Jahrtausenden eine symbolische Bedeutung. Unzählige Fabeln, Sagen, Märchen und Legenden spielen hier und machten das Gebirge zum Mythos.
Der Gotthard ist sowohl eine Klima- als auch eine Wasserscheide. Hier entspringen neben der Reuss und dem Ticino auch die Rhône, die ins Mittelmeer mündet, und der Rhein, der zur Nordsee fließt.
Bereits die Römer kannten den Gotthard. Sie nannten ihn "adula mons", den steilen Berg, oder "mons tremolar" – der zitternde Berg. Römische Münzfunde weisen auch darauf hin, dass auf der Strecke bereits zu frühen Zeiten Händler unterwegs waren.
Alte Zollbücher belegen, dass der Handel über den Gotthard lange Zeit nur sehr bescheidene Dimensionen hatte. Der Transport von Handelsgütern über die Alpen war extrem aufwendig und deshalb so teuer, dass er sich allenfalls bei Luxusgütern wie Büchern, Wachs und Gewürzen lohnte.
Zudem war der Weg hoch zum St. Gotthardpass für den Transport schwerer Güter ungeeignet. Der Pfad war nur streckenweise befestigt und wurde von Hirten und lokalen Händlern genutzt, um Käse, Vieh, Brotgetreide, Salz und Eisenwerkzeuge zu verkaufen.
Erst allmählich wurden diese Pfade befestigt und weiter ausgebaut. In mühsamer Arbeit wurden Treppenstufen, Galerien, Stege und Brücken angelegt, sodass auf den befestigten Wegen schließlich auch Zug- und Lasttiere eingesetzt werden konnten.
Die Schöllenenschlucht
Lange Zeit galt die Schöllenenschlucht als fast unüberwindlich. Gewaltige Wassermassen, Schlamm- und Steinlawinen, dazu der Höllenlärm und die von der Gischt glitschig-nassen Granitplatten machten die Schlucht zu einem angsteinflößenden Ort.
Ab etwa 1230 konnte der Fluss auf einem hölzernen Steg überquert werden konnte. Der Legende nach konnte der Bau dieser Brücke nur gelingen, weil man mit dem Teufel einen Pakt eingegangen war, daher der Name Teufelsbrücke. Sie war anfangs aus Holz, ehe dann ab 1595 eine neue Steinbrücke gebaut wurde.
1707 erhielt der Schweizer Festungsbaumeister Pietro Morettini den Auftrag, ein Loch in den Felsen zu sprengen: das sogenannte Urner Loch. Es gilt heute als der erste Straßentunnel in den Alpen.
Überquerung mit der Postkutsche
Der erste Postdienst über den St. Gotthard wurde 1615 eingerichtet. Einmal in der Woche machte sich damals im Auftrag Züricher Kaufleute ein Bote auf den Weg nach Bergamo.
Ende des 17. Jahrhunderts waren auch die ersten berittenen Boten unterwegs. Über die Jahrhunderte wurden die mittelalterlichen Wege immer weiter ausgebaut. Ende des 18. Jahrhunderts stand dann eine knapp acht Meter breite, teilweise gepflasterte Straße zur Verfügung.
Ab 1830 verkehrten auf der Gotthardstraße die ersten Postkutschen über den St. Gotthardpass. Heute kann man auf der historischen Strecke eine nostalgische Postkutschenreise buchen.
Überquerung mit der Eisenbahn
Erst mit dem Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels stand eine Verkehrsverbindung für den massenhaften Güter- und Personenverkehr zur Verfügung. 1872 begannen die Arbeiten auf der damals weltweit größten Baustelle.
15 Kilometer lang sollte ein Tunnel durch den Felsen getrieben werden. Mehr als 2500 Arbeiter schufteten bei Temperaturen von 35 Grad im Drei-Schicht-Betrieb auf den Untertagebaustellen.
Etwa 200 Bauarbeiter starben bei Unfällen, andere wegen mangelhafter Hygiene an Seuchen. Auch Louis Favre, der als Bauunternehmer das Projekt leitete, erlebte die Vollendung seines Lebenswerks nicht mehr. Er starb bei einer Tunnelbesichtigung an Herzversagen.
Am 28. Februar 1880 war es soweit: Um 18.45 Uhr durchbrach das Bohrgestänge den Felsen zum ersten Mal. Zu Jahresbeginn 1882 rollten die ersten Postzüge durch den Tunnel.
Mit der Fertigstellung der Eisenbahnstrecke war die Region Tessin zum ersten Mal in ihrer Geschichte über eine schneesichere Verkehrsverbindung zu erreichen.
Überquerung mit dem Auto
Kurz vor dem Jahr 1900 tauchten die ersten Automobile auf dem St. Gotthardpass auf. Da es damals keine Tankstellen gab, sollen Apotheker das Fahrzeug mit Benzin versorgt haben.
Doch die Autos der damaligen Zeit waren noch nicht auf solche extremen Belastungen vorbereitet. Noch schwieriger als die Auffahrt gestaltete sich oft die Abfahrt: Die Bremsen brannten bergab schon nach wenigen Kilometern durch. So versuchte man die Fahrzeuge durch einen Baumstamm abzubremsen, der an einer Kette befestigt war. Der Erfolg soll allerdings mäßig gewesen sein.
Mit 250 km/h durch den Gotthard-Basistunnel
Im Jahr 2016 wurde schließlich am Gotthard der längste Eisenbahntunnel der Welt eröffnet: der Gotthard-Basistunnel. Die Bauzeit betrug 17 Jahre, der Tunnel ist 57 Kilometer lang.
Auf der alten Gotthard-Eisenbahnstrecke waren die Güterzüge mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde (km/h)unterwegs.
Heute ziehen die Güterzüge mit 160 Kilometern pro Stunde durch den Basistunnel. Personenzügen rasen sogar mit bis zu 250 km/h durch den Tunnel.
(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 28.05.2020)