Zwei getrennte Kreisläufe
Ein durchschnittliches Herz hat etwa die Größe einer Faust und wiegt rund 300 Gramm. Im Ruhezustand schlägt es 70 bis 80 Mal pro Minute. Geschützt vor Stößen und Verletzungen, sitzt das Herz etwas links von der Körpermitte direkt hinter dem Brustbein und den Rippen.
Mit je zwei großen und zwei kleinen Kammern versorgt das Herz zwei Kreisläufe: Das rechte Teilherz pumpt sauerstoffarmes, sogenanntes venöses Blut in die Lunge, wo es das mitgebrachte Kohlendioxid abgibt und Sauerstoff aufnimmt. Dieser kleine Kreislauf heißt Lungenkreislauf.
Das linke Teilherz pumpt das sauerstoffreiche Blut, das von der Lunge kommt, zu den anderen Organen, in den Kopf, die Arme und die Beine. Jede Herzhälfte besteht aus einem Vorhof (Atrium) und einer Kammer (Ventrikel). Reguliert wird der Blutfluss durch die Herzklappen. Sie funktionieren wie Ventile.
Wenn die großen Herzkammern sich zusammenziehen, übersteigt der Druck in ihnen den Druck in der Lungen- beziehungsweise der Körperschlagader. Dadurch öffnen sich die Klappen zu diesen Blutgefäßen, die Klappen zu den Vorhöfen schließen sich. Sind die Herzkammern danach geleert, verhindern die Taschenklappen, dass Blut in die Herzkammern zurückfließt.
Nun kann das Blut aus den Vorhöfen in die Herzkammern strömen. Aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben sind die beiden Herzhälften unterschiedlich groß. Die linke Herzhälfte, die den Körperkreislauf versorgt, ist deutlich größer.
Der Sinusknoten bestimmt den Herzschlag
Wer mit einem Stethoskop seinen Herzschlag sucht, wird feststellen, dass eigentlich zwei Töne zu hören sind, die schnell aufeinander folgen. Bei der sogenannten Systole, die etwa eine Drittelsekunde dauert, ziehen sich die großen Herzkammern zusammen und pumpen Blut in den Kreislauf.
Wenn sie leer sind, ziehen sich in der darauffolgenden Diastole die Vorhöfe zusammen. Diese Phase dauert etwa zwei Drittelsekunden. Vorhöfe und Herzkammern füllen und leeren sich also immer im Wechsel.
Die Impulse dazu erhalten die Herzmuskeln aus einem Nervengeflecht im rechten Vorhof, dem Sinusknoten. Vom Sinusknoten aus verteilen sie sich weiter in die einzelnen Kammern. Die schwachen Ströme, die dabei fließen, lassen sich an der Haut ableiten und können mit einem Elektrokardiogramm (EKG) am Bildschirm sichtbar gemacht werden.
Ein erfahrener Arzt kann daraus Rückschlüsse ziehen, ob ein Herz gesund ist und gleichmäßig arbeitet, aber auch zurückliegende Herzinfarkte erkennen.
Schrittmacher helfen bei gestörtem Herzrhythmus
Gesteuert wird das Herz – im stetigen Zusammenspiel mit dem Gehirn – vom vegetativen Nervensystem, das wir nicht willentlich oder bewusst beeinflussen können.
Die elektrischen Impulse, die den Herzschlag veranlassen, entstehen jedoch im Herzen selbst, so dass selbst ein bei einer Herztransplantation aus dem Körper herausgelöstes Herz weiterschlägt, solange die Sauerstoffversorgung besteht.
Ist der Herzrhythmus nachhaltig gestört, kann ein elektrischer Schrittmacher Abhilfe schaffen. Herzschrittmacher gibt es bereits seit Ende der 1950er-Jahre. Moderne Geräte bestehen aus einer leicht ovalen Scheibe in der Größe eines Zwei-Euro-Stückes. Sie werden unterhalb des Schlüsselbeins in den Körper eingepflanzt und haben eine Batterie, die für mehrere Jahre reicht.
Gesteuert von einem Computer, springen sie nur an, wenn der natürliche Herzschlag aussetzt. Sie können ihr Schlagtempo auch dem aktuellen Leistungsbedarf anpassen.
Wie schnell unser Herz schlägt, hängt von Nervenreizen, Hormonen und dem eigenen Steuermechanismus des Herzens ab. Stehen wir unter Stress oder haben Angst, schütten unsere Nebennieren die Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus.
Auf diese Art angeregt, kann das Herz seine Leistung von den üblichen fünf bis sechs Litern pro Minute auf mehr als 20 Liter steigern, um Organe und Muskeln schneller mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Umgekehrt werden nachts Pumpleistung und Frequenz herabgesetzt.
Stress ist Gift für das Herz
Liegt es vielleicht auch an den alten Mythen, dass Herzchirurgen ein besonderes Ansehen genießen? Herzchirurgen und Kardiologen haben es oft mit besonders dankbaren Patienten zu tun. Manch einer nimmt sich dann zu Herzen, was der Arzt empfiehlt: "Vermeiden Sie überflüssigen Stress."
Zwar ist das Herz ein ausgesprochen robuster Muskel, doch auch der kann Schaden nehmen. Psychisch belastender Dauerstress zum Beispiel macht das Herz krank. Stress ist eine natürliche Reaktion. Sie sorgt dafür, dass der Herzmuskel die Blutversorgung steigert. Der Körper ist dann fluchtbereit.
Steht jemand allerdings ständig unter Strom, gerät das fein austarierte System von Botenstoffen und Rezeptoren durcheinander, das für den geregelten Ablauf des pumpenden Herzens sorgt.
Unter Stressbedingungen schüttet der Körper die Hormone Noradrenalin und Adrenalin aus. Diese Botenstoffe gelangen über Ionenkanäle in die Muskelzellen und beeinflussen dort den Stoffwechsel.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass dabei der für den Herzrhythmus besonders wichtige Kalium-Austausch gestört werden kann. In die Zelle ein- und ausströmendes Kalium spielt beim Zusammenziehen und der Entspannung der Herzmuskelzelle eine wichtige Rolle.
Verändert sich unter Stressbedingungen der Stoffwechsel, kann es zu einer elektrischen Überhitzung der Muskelzelle und infolgedessen zu Herzrhythmusstörungen kommen.
Gelegentlich kommt es dann zu einem Effekt, den Wissenschaftler als "Broken-Heart-Syndrom" (gebrochenes Herz) bezeichnen. Die Symptome sind zunächst ähnlich wie beim Herzinfarkt. Im Elektrokardiogramm (EKG) bestätigt sich der Infarktverdacht allerdings nicht.
Erst bei einer Herzkatheter-Untersuchung zeigt sich ein atypisches, tintenfischartig verformtes Herz. Wissenschaftler vermuten, dass zum Beispiel ein Schockerlebnis und die plötzliche Freisetzung von Stresshormonen so etwas wie eine Muskelstarre oder Herzmuskelversteifung auslösen. Einmal erkannt, lässt sich eine solche stressbedingte Kardiomyopathie medikamentös behandeln.
Kulturgeschichte des Herzens
Schon unsere Urahnen wussten um die Bedeutung des Herzens. Es war für uns schon immer mehr als nur ein Muskel aus Fleisch und Blut. Rund um das Herz ranken sich unzählige Mythen und Legenden. Im Herz, so besagt es unser christlich geprägtes Weltbild, wohnt die Seele des Menschen.
Wir "nehmen uns etwas zu Herzen", grüßen uns "herzlich" und als schlechter Mensch gilt, wer sich "herzlos" zeigt. Wer hingegen "ein offenes Herz hat", zeigt Toleranz und ist bereit für den Dialog. Mit dem Herzen verbinden wir Gefühle wie Liebe und Trauer, aber auch Neid und Hass.
Die Kulturgeschichte des Herzens ist uralt. Erste Hinweise finden sich in den 5000 Jahre alten Überlieferungen aus Mesopotamien. Von den alten Ägyptern wissen wir, dass sie ihren Toten vor der Einbalsamierung alle Organe entnahmen, nur das Herz blieb in der Brusthöhle.
Als besonders grausam sehen viele heute noch die Azteken. Sie schnitten mit Steinmessern Menschen bei lebendigem Leib die Herzen aus der Brust, um sie noch warm und schlagend den Göttern zu opfern. Im Laufe der Jahrtausende entstanden unzählige künstlerische und vor allem literarische Werke, in denen das Herz einen herausragenden Platz einnimmt.
Das gilt nicht nur für die christliche Kultur des Abendlandes. Auch im Islam ist das Herz ein Organ der Empfindung, der Intuition und Erkenntnis, vor allem aber ist es ein Ort der Offenbarung des göttlichen Willens.
(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 08.07.2020)