Genaue Länge unbekannt
Träge schiebt sich das gelb-braune Wasser voran. Mit dem bloßen Auge ist kaum eine Bewegung zu erkennen. Je näher der riesige Fluss dem Meer kommt, desto langsamer fließt er in seinem Bett.
Besser gesagt: in neun Betten. In seinem Delta hat der Mekong nämlich nicht nur einen, sondern neun Arme. Deshalb nennen ihn die Menschen in Vietnam auch den "Neun-Drachen-Fluss" – hier fließt er nach seiner langen Reise durch sechs Länder und unterschiedlichste Landschaften ins Südchinesische Meer.
Für die Chinesen ist er die "Mutter des Wassers" oder einfach das "Große Wasser". Tatsächlich gehört der Mekong zu den zehn längsten Flüssen der Welt. Bis heute sind sich die Wissenschaftler allerdings nicht einig, wie lang der Mekong tatsächlich ist.
Seine Quelle liegt im schwer zugänglichen Hochland von Tibet, und der Fluss entsteht dort zudem noch aus mehreren Zusammenflüssen. Chinesische Forscher sagen: Der Mekong entspringt in der Nähe der Stadt Ganasongdou auf einer Höhe von etwa 5200 Metern. Eine französische Expedition legte dagegen den Ursprung des Flusses weiter westlich und auch tiefer gelegen fest. Damit wäre er zwischen 4300 und 4900 Kilometern lang.
Für die rund 90 Millionen Menschen in der Region sind sein genauer Ursprung und seine Länge nicht so entscheidend. Für sie ist der Mekong schlicht lebensnotwendig: Er ist ihre wichtigste Nahrungs- und Energiequelle.
Ein schmaler Gebirgsfluss: der Mekong in China
Zwischen Tempeln und Gummibaum-Plantagen
Vom tibetischen Hochland aus fließt der Mekong durch die chinesische Provinz Yunnan. Etwa die Hälfte seiner Länge liegt auf chinesischem Staatsgebiet.
In einer Höhe von 500 Metern verlässt der Fluss schließlich das Reich der Mitte und bildet anschließend für etwa 200 Kilometer die Grenze zwischen Myanmar (Burma) und Laos. Hier ist der Mekong selbst Niemandsland.
Einen Eindruck von der Vielfalt rund um den Fluss bekommt man, indem man ihn per Boot erkundet. Das ist inzwischen auf vielen Abschnitten möglich – abgesehen von solchen, die wegen ihrer Stromschnellen, Wasserfällen und Schluchten unschiffbar sind.
Lange Zeit waren die Länder der Mekong-Region politisch isoliert und für Reisende nicht oder zumindest nur sehr schwer zugänglich. Thailand war das erste Land der Region, das sich vor allem wirtschaftlich in Richtung Westen orientierte.
"Im Moment wird die gesamte Region um den Mekong vollständig in den Weltmarkt integriert", sagte 2005 der Soziologe Rüdiger Korff, der an der Universität Passau Professor für Südostasienstudien ist.
Die Globalisierung hat selbst ein Land wie Laos erreicht, in dem seit 1975 eine pro-sozialistische Regierung an der Macht ist. Hier entstehen auf den fruchtbaren Böden rund um den Mekong mehr und mehr Gummibaum-Plantagen, seit der Gummipreis auf dem Weltmarkt angestiegen ist.
Fruchtbare Böden am "Großen Wasser"
Am Ende der Grenze zwischen Laos und Myanmar mündet der Ruak in den Mekong. Dort bilden Laos und Myanmar mit Thailand ein Dreiländereck: das Goldene Dreieck. Früher berühmt-berüchtigt für Drogen, Schmuggel und Kriminalität, soll der Name nun vor allem Touristen anlocken.
Die Opiumproduktion ist heute in allen drei Ländern verboten. Dennoch können die Regierungen den Drogenhandel nicht komplett unterbinden. Im thailändischen Chiang Saen gibt es ein Opium-Museum, in dem die Entwicklung und die Hintergründe des Drogenhandels im Goldenen Dreieck erklärt werden.
Ein kurzes Stück ist der Mekong die Grenze zwischen Laos und Thailand, bevor er in gebirgigen Schluchten und mit vielen Stromschnellen das nordwestliche Laos durchquert. Südlich der laotischen Königsstadt Luang Prabang – einer Kombination von Gebäuden aus der französischen Kolonialzeit und buddhistischen Tempel- und Klosteranlagen – bekommt das "Große Wasser" ein Flussbett, das seinem Namen alle Ehre macht.
Westlich der laotischen Hauptstadt Vientiane wird der Mekong wieder zur Grenze zu Thailand – nun für mehrere hundert Kilometer. Ab dem südlichen Laos bis zu seiner Mündung in Vietnam ist der Strom die Hauptverkehrsader der Region.
Ein Hindernis gibt es noch auf dem Weg ins Südchinesische Meer: die Sambor-Wasserfälle. Sie liegen bereits auf kambodschanischem Boden. Nach den Wasserfällen wird die Landschaft um den Mekong flacher.
Da der Fluss während der Regenzeit um bis zu 15 Meter ansteigt, werden die Ufer regelmäßig überschwemmt. Zurück bleiben Schwebstoffe, die die Erde fruchtbar machen und ideale Voraussetzungen für den Anbau von Reis und anderen Nutzpflanzen schaffen. Nicht umsonst wird das Delta des Mekong als "Reiskammer von Vietnam" bezeichnet.
Reis als Hauptnahrungsmittel
Alltag auf dem Wasser im Mekong-Delta
Bevor der Fluss in Vietnam in Kilometerbreite ankommt, sorgt er nördlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh für eine weltweit einzigartige geografische Besonderheit: Der Tonle-Sap-Fluss, der eigentlich in den Mekong fließt, wechselt während der Regenzeit die Fließrichtung. Dann schiebt der Mekong sein Wasser stromaufwärts in den Tonle-Sap-Fluss.
Die Wassermassen, die der Mekong so in seinen Nebenarm drückt, bilden den Tonle-Sap-See, den größten Binnensee Südostasiens. Während er in der Trockenzeit zwei Meter tief ist, sind es in der Regenzeit bis zu 14 Meter.
Der Tonle-Sap-Fluss ist jedoch nicht nur wegen seiner zwei Strömungsrichtungen interessant. Er dient auch als Verbindung vom Mekong zur größten Tempelanlage der Welt: Angkor, seit 1992 Unesco-Weltkulturerbe. Mehr als 1000 Heiligtümer sind hier auf 200 Quadratkilometern im Urwald zu besichtigen. Sie sind bis zu 1100 Jahre alt und wurden 1860 von einer französischen Expedition wieder entdeckt. Heute besuchen mehrere Millionen Touristen jährlich die Ruinen.
Wenn man aber nicht dem Tonle-Sap-Fluss Richtung Angkor, sondern weiter der "Mutter des Wassers" folgt, teilt sich der Fluss hinter der Millionenstadt Phnom Penh, der größten Siedlung am Mekong. Als Zwillingsfluss erreicht er von Kambodscha aus Vietnam und ist inzwischen schon mehrere Kilometer breit.
Der Mekong in Phnom Penh
Über 70.000 Quadratkilometer erstreckt sich das Mekong-Delta, in dem es nur wenige feste Straßen gibt. Hier bewegt man sich überwiegend auf dem Wasser fort – und handelt, so zum Beispiel auf den Kanälen von Cai Be. Auf dem schwimmenden Markt verkaufen die vietnamesischen Bauern aus dem Umland ihre Ware direkt vom Boot an ihre Kunden.
Gefahr durch Klimawandel und Staudämme
Bis vor einigen Jahren mussten die Menschen im Delta auch stets das Boot nehmen, wenn sie den Mekong überqueren wollten. Erst 2001 wurde in Vietnam die erste Brücke über den Fluss gebaut, eine 1000 Meter lange Schrägseilbrücke. Der Bau war eine technisch schwierige Aufgabe, weil das gesamte Delta keinen festen Untergrund hat.
Der Klimarat der Vereinten Nationen blickt mit Sorge besonders auf das Mündungsgebiet des Mekong. In einem Bericht warnt das "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) vor den Folgen der globalen Erwärmung. Diese könne zu einem Abschmelzen der Gletscher im Himalaja führen, was in den nächsten 20 bis 30 Jahren für Überflutungen, Erdrutsche und einer Verschlechterung der Wasserqualität des Mekong sorgen könne.
Aber auch Trockenheit kann zum Problem für das Mekong-Delta werden. Denn im oberen Teil des Flusses – vor allem in China – sollen viele neue Staudämme gebaut werden. Für die Bewohner des Deltas würde dies bedeuten, dass sie langfristig ihren Lebensraum verlören.
Um dem vorzubeugen, gründeten Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam 1995 die Mekong River Commission. Sie bemüht sich gemeinsam mit internationalen Umweltschutzorganisationen wie dem World Wide Fund For Nature (WWF) um eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz des Mekong.
Der Mekong trocknet heute schon zu häufig aus
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 24.01.2021)
Quelle: WDR