
Die Loire
Johanna von Orléans – Kämpferin, Ketzerin, Nationalheilige
Man kennt sie als Jungfrau von Orléans, heilige Johanna und Jeanne d’Arc. Johanna von Orléans war eine französische Widerstandskämpferin im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) zwischen England und Frankreich. Sie selbst nannte sich "Johanna, die Jungfrau".
Von Claudia Weber
Eine Jungfrau mit göttlichem Auftrag
Johanna von Orléans wurde um 1412 im kleinen Dorf Domrémy an der Maas geboren. Sie war die Tochter eines wohlhabenden Bauern, konnte allerdings vermutlich kaum lesen und schreiben. Trotzdem überzeugte sie alle, denen sie begegnete – vom Stadtkommandanten über gelehrte Theologen bis zum französischen Kronprinzen –, von ihrem Sendungsbewusstsein.
Als Dreizehnjährige glaubte sie, erstmals die Stimmen der Heiligen Katharina und Margarethe sowie des Erzengels Michael gehört zu haben. Die erteilten ihr angeblich in immer wiederkehrenden Visionen den Auftrag des Himmelskönigs: die Stadt Orléans aus der Belagerung englischer Truppen zu befreien und den Kronprinzen zur Königskrönung nach Reims zu führen.
Seit ihrer frühesten Kindheit hatte Johanna die Plünderungen und Zerstörungen erlebt, die der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich in ihrer Region verursacht hatte.

Schon viele Jahrzehnte tobte der Krieg auf französischem Boden
Während Frankreich ohne regierungsfähigen König war – Karl VI. galt seit 1392 als geisteskrank –, stritten seine Verwandten, allen voran die Herzöge von Orléans und Burgund, um die Macht.
Der englische König Heinrich V. nutzte die Gelegenheit, seine Besitzungen auf französischem Boden zu mehren. Er besetzte die wichtigsten Städte des Landes, darunter die Hauptstadt Paris und die Krönungsstadt Reims.
1422 starb Karl VI. Er hinterließ einen leeren Thron und einen entrechteten Thronfolger, der auf Burg Chinon in der Touraine auf ein Wunder hoffte. In dieser verfahrenen Situation wird Johanna den verzweifelten Franzosen wie eine Lichtgestalt erschienen sein.
Die charismatische Siebzehnjährige schaffte es nicht nur, zum Kronprinzen vorgelassen zu werden, sondern auch ihn von ihrem gottgegebenen Auftrag zu überzeugen: die Engländer zu vertreiben und Frankreich zu einen.
Auf in den Kampf!
Man kann sich heute kaum vorstellen, dass ein selbstbewusster Teenager mit wehendem Banner die furchtlosen Haudegen des französischen Heers hinter sich bringen konnte.
Doch die Jungfrau in der glänzenden Kriegerrüstung muss eine unwiderstehliche Ausstrahlung gehabt haben. Jedenfalls sollen ihr die Soldaten beim Zug auf das von englischen Truppen eingeschlossene Orléans ohne zu zögern gefolgt sein.

An der Spitze des Heeres zog Johanna nach Orléans
Am 8. Mai 1429 gelang Johanna die Befreiung der strategisch wichtigen Stadt an der Loire. Ihre Glückssträhne hielt an, und am 17. Juli 1429 erfüllte sie ihren zweiten Auftrag: Der Kronprinz wurde im inzwischen befreiten Reims zum französischen König Karl VII. gekrönt.
Gescheitert und verbrannt
Vom Erfolg verwöhnt, wollte die furchtlose Kämpferin nun auch die Hauptstadt aus englischer Hand befreien. Doch ihr Vorstoß auf Paris endete in einer Niederlage.
Im Mai 1430 geriet sie in Gefangenschaft und wurde bald darauf den Engländern ausgeliefert. Die machten ihr in Rouen den Prozess, wo ein geistliches Gericht die Königsmacherin als Ketzerin verurteilte.
So endete die Mission der Johanna aus Domrémy am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen. Die Jungfrau, die Orléans befreit hatte, wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, ihre Asche in die Seine gestreut.
Von der nationalen Symbolfigur zur Heiligen
Die Franzosen, die Johanna nach ihrer Gefangennahme nicht beigestanden hatten, strebten bald einen Revisionsprozess an. Schließlich konnten sie nicht dulden, dass ihr König seinen Thron einer Ketzerin verdankte.
1456 wurde in Paris das Urteil des Inquisitionsgerichts aufgehoben. Die schon zu ihren Lebzeiten vom Volk verehrte Jungfrau Johanna, die eine entscheidende Wende im Hundertjährigen Krieg herbeigeführt und das französische Königtum gestärkt hatte, wurde zur nationalen Symbolfigur.

Stadtpatronin von Rouen und Orléans
Unzählige Denkmäler sind ihr gewidmet, die das lothringische Bauernmädchen in kämpferischer Pose zeigen: hoch zu Ross, in Rüstung mit Helm und Schwert.
1920 wurde Johanna von Papst Benedikt XV. heilig gesprochen. Heute wird sie als Stadtpatronin von Rouen und Orléans sowie als Landespatronin Frankreichs verehrt. Darüber hinaus gilt Jeanne d’Arc auch als Schutzheilige der Telegrafie und des Rundfunks. Ihr Gedenktag ist der 30. Mai.
(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 27.04.2020)
Quelle: SWR