Bernhard Grzimek mit einem Tierhändler und einem Bambusbären im Frankfurter Zoo

Zoos

Geschichte des Frankfurter Zoos

Jedes Tier ist einzigartig, braucht individuelle Pflege und sollte möglichst in einer artgerechten Umgebung gehalten werden. Doch so eine Erkenntnis muss wachsen. In mehr als 160 Jahren lernte der Frankfurter Zoo, seine Tiere besser zu verstehen.

Von Harald Brenner

Ein modernes Haus der Tiere

Noch in den 1960er-Jahren wurden die Tiere auch im Frankfurter Zoo vermenschlicht und eher ausgestellt als anerkannt. Erst spät verschwanden zum Beispiel die Gitterstäbe im Menschenaffenhaus und wurden durch große Scheiben ersetzt.

Auch die Großkatzen des Zoos leben heute in naturnaher Umgebung. Raubtiere sind nach wie vor eine Attraktion des Hauses, weil sie die wilde, ungezähmte Natur verkörpern.

Der Frankfurter Zoo liegt im Herzen der Stadt: Auf elf Hektar leben knapp 500 Arten, insgesamt rund 4500 Tiere. Das Ziel des Zoos ist es, den Besuchern ferne Länder näherzubringen und zugänglich zu machen. Damit hofft man den Massentourismus in die natürlichen Lebensräumen der Tiere einzudämmen, wo sie durch ausufernde Safaris zunehmend zurückgedrängt werden.

Mehr als 800.000 Besucher kamen 2019 in den Frankfurter Zoo, geschätzte 600 Millionen Menschen pro Jahr besuchen weltweit die Zoos. Gäbe es keine solchen Einrichtungen und würde nur ein Teil der Besucher in die Nationalparks strömen, wäre das bald das Ende. Der Frankfurter Zoo will deshalb ein möglichst realistisches Naturerlebnis vermitteln – einen Hauch von freier Wildbahn.

Geschichte des Zoos

1858 beginnt die Geschichte des Zoos im Frankfurter Westend. Wohlhabende Bürger schließen sich zur Zoologischen Gesellschaft zusammen und eröffnen den "Probezoo" am 8. August. Die Gründer mieten dafür den Leers'schen Garten für zehn Jahre und zahlen 2400 Gulden pro Jahr. Ihr Credo: Die Bürger sollen die Erholung in der freien Natur mit dem Studium derselben verbinden.

Was die "Wildheit" der Natur angeht, ist man allerdings sehr zurückhaltend. Die meisten der wilden und fleischfressenden Tiere bleiben draußen. Die Begründung findet sich in der Gründungsurkunde: "Da nämlich dieselben nicht anders als in Käfigen gehalten werden können, so gehören sie mehr in den Bereich von Menagerien. Auch haben sie den Nachteil, dass sie meistens die Geruchsnerven unangenehm berühren."

Nach 15 Jahren im Westend platzt der Zoo aus allen Nähten, denn das Interesse an wilden Tieren wächst unaufhaltsam. 1874 folgt der Umzug in den Osten der Stadt auf die Pfingstweide. Einige Tierhäuser werden zerlegt und an neuer Stätte wieder aufgebaut.

Obwohl der Zoo jetzt größer ist, leben die Tiere immer noch eng zusammengepfercht hinter Gittern. Daran ändert sich auch in den folgenden Jahrzehnten nichts. In den Jahren nach dem Umzug entstehen einige Neubauten, darunter auch das Aquarium und natürlich eingerichtete Terrarien mit Reptilien.

Doch noch immer ist es Zoo-Philosophie, möglichst viele Tierarten zu zeigen – Masse statt Klasse sozusagen.

Der Zoo ist ständig bemüht, mit Attraktionen mehr Besucher anzulocken. Schon Ende des 19. Jahrhunderts werden Ballonfahrten angeboten. In bürgerlichen Kreisen gilt es als schick, sich ganz entspannt im Löwenkäfig fotografieren zu lassen. Das schützende Gitter, das Tier und Mensch trennt, bleibt natürlich unsichtbar.

Es ist die Zeit des Kaiserreichs. Durch die deutschen Kolonien rücken ferne Länder näher, zeigen aber auch die hässliche Seite dieser Expansion. Der deutsche Kaiser und die Kolonialisten sehen die Menschen aus Afrika und der Südsee als Wilde – halb Mensch, halb Tier.

Auch sie werden in sogenannten Völkerschauen des Zoos regelrecht ausgestellt. Bis zu 60.000 Menschen besuchen täglich die von Klischees und Ignoranz geprägten Veranstaltungen.

Der Zoo im Krieg

1914 bricht der Erste Weltkrieg aus. Die Mittel werden knapper, zwei Drittel der Tiere verhungern. Auch nach dem Krieg erlebt der Zoo schwierige Zeiten, Futter für die Tiere ist Mangelware. Die längst fällige Vergrößerung der Tierhäuser ist in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten undenkbar.

Die erste große Krise droht die Aufbauarbeit von 60 Jahren zunichte zu machen. Anfang der 1920er-Jahre entspannt sich die Lage und der Zoo erholt sich. Der erste Gorilla wird per Zeppelin eingeflogen, um anschließend mit dem Lastwagen von Friedrichshafen nach Frankfurt gebracht zu werden. Eine Sensation, denn Gorillas sind damals sehr selten in Zoos anzutreffen.

6000 Tiere bevölkern mittlerweile das Gelände und noch immer gilt die Devise: mehr Tiere, mehr Außenwirkung, mehr Einnahmen. Zoodirektor Kurt Priemel setzt allerdings auch verstärkt auf Naturschutz und die Erhaltung bedrohter Arten. Trotz einiger Umbauten ist die Tierhaltung aber immer noch nicht artgerecht.

Als die Nazis an die Macht kommen, muss sich die Einrichtung umbenennen. "Zoo" klingt den neuen Herrschern nicht deutsch genug und das Ganze heißt ab sofort "Frankfurter Tiergarten".

Drei Millionen Besucher jährlich zeigen: Der Zoo ist ein Publikumsmagnet. Viele neue Tiere kommen hinzu, und es wird noch enger. Einzig das Menschenaffenhaus gilt mit seinen schräg gestellten Scheiben als richtungsweisend. Schimpansen-Dressuren sind eine große Attraktion.

1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Schon 1941 treffen den Zoo die ersten Bomben. Am 18. März 1944 vernichten 27 Einschläge fast alle Gebäude und verwüsten das Gelände – es ist das vorläufige Ende. Überlebende Tiere irren durch die Stadt. Zur Sicherheit für die Bevölkerung werden alle Löwen getötet.

Die Ära Grzimek

1945 ist der Zoo ein Trümmerfeld. Im Mai kommt der Tiermediziner und Zoologe Bernhard Grzimek nach Frankfurt und will den Zoo wieder aufbauen. Doch die Militärregierung sperrt sich, der Zoo soll geschlossen werden. Grzimek gibt nicht auf. Er wird Direktor und verspricht, ohne finanzielle Unterstützung der Stadt alles wieder aufzubauen.

Nachts sammeln die Zoo-Mitarbeiter alles, was zum Wiederaufbau zu gebrauchen ist. Die wenigen überlebenden Tiere brauchen dringend Futter, aber das ist wieder einmal knapp in einer Zeit, in der auch die Menschen kaum was zu beißen haben.

Grzimek startet einen Werbefeldzug: Er zieht mit den verbliebenen Tieren durch die Stadt, um Besucher anzulocken. Er weiß, dass das alleine nicht reicht und setzt deshalb voll und ganz auf Unterhaltung. Tanz, Konzerte, Faschingsfeste und eine Achterbahn – all das, worauf die Menschen so lange verzichten mussten.

Das Konzept geht auf, es kommt reichlich Geld in die Kasse. Fast zwei Millionen Besucher strömen jährlich in den Zoo.

Zoodirektor Bernhard Grzimek und Orang Utan Sali mit Tierpfleger Klose begrüßen am 04.08.1967 im Frankfurter Zoo den millionsten Besucher des Jahres 1967, Frau Kester aus Bad Soden, die mit ihrem elfjährigen Sohn in den Zoo kam.

Fast zwei Millionen Besucher strömen nach dem Krieg jährlich in den Zoo

Doch nicht alle sehen die Entwicklung mit Begeisterung. Der Zoo verkommt zunehmend zum Jahrmarkt, zum Beispiel mit gewagten Vorführungen im Flusspferd-Becken. Grzimek nimmt das in Kauf, weil er für seine Pläne Geld braucht. Auch erste Filme entstehen, in denen der Direktor publikumswirksam seine Wohnung mit allerlei wilden Tieren teilt.

Grzimek baut den Tierbestand wieder auf, unter anderem mit zwei Löwen, die er vor dem Schlachthof rettet. Und er regt Verbesserungen in der Tierhaltung an. Doch auch unter Grzimek sind die Tiere immer noch Schauobjekte, gefährliche Bestien hinter Gittern.

In den 1960er-Jahren ist der Zoo wieder eine der größten Attraktionen der Stadt, Dressuren locken Tausende.

Um den Zooalltag der Tiere zu verbessern, will Grzimek verstehen, wie die Tiere in Freiheit leben. Er reist nach Afrika und entdeckt seine Liebe zu diesem Kontinent.

Grzimek nutzt die Gelegenheit, um neue Tiere für den Zoo zu fangen, wie es damals noch üblich ist. Und es wird ihm klar, dass er die Tiere auch dort schützen muss, wo sie noch in Freiheit leben. Naturschutz und die Verbesserung der Tierhaltung im Zoo werden zu Grzimeks Lebensinhalt.

Als erste Konsequenz holt er keine neuen Elefanten mehr nach Frankfurt, weil sie seiner Meinung nach nicht artgerecht gehalten werden können. Das nehmen ihm viele übel, denn die Dickhäuter sind Publikumslieblinge.

Der Eingang des Frankfurter Zoos

Ein besonderes Naturerlebnis mitten in der Stadt

Der Zoo heute

Heute leben weniger Tiere im Frankfurter Zoo als früher, mit mehr Platz in größeren Gehegen. Zwar immer noch gefangen, aber unter besseren Bedingungen und, soweit möglich, in einer Landschaft, die ihren natürlichen Lebensräumen nahekommt.

Dafür wurden in den vergangenen Jahren mehrere neue Tierhäuser und Anlagen eröffnet: das "Ukumari-Land" für Brillenbären etwa und eine Freianlage für Humboldtpinguine. Man ist bestrebt, sich weg von der reinen "Kinderbelustigung" zu einer wichtigen Kultureinrichtung zu mausern. Mitten in der Großstadt will der Frankfurter Zoo den Menschen ein besonderes Naturerlebnis bieten und den Tieren die Gefangenschaft erträglich machen.

Quelle: SWR | Stand: 26.11.2020, 09:45 Uhr

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