Millionenfacher Tod an der Front
"Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln". Das Zitat, das auf den preußischen General und Theoretiker Carl von Clausewitz zurückgeht, steht am Anfang des Ersten Weltkrieges. Tatsächlich galt Krieg vor den Ereignissen von 1914 bis 1918 für die kriegführenden Staaten als legitimes Mittel, die eigenen Ansprüche durchzusetzen.
So zog die wilhelminisch erzogene Generation der deutschen Frontsoldaten in einem wahren Freudentaumel in die Schlacht: Den "Ausflug nach Paris" glaubte man binnen weniger Monate beendet zu haben.
Schnell zeigte sich, dass der Bewegungskrieg, der auf einer schnellen Einkesselungsstrategie beruhte, zum Stellungskrieg mit nicht gekannten Ausmaßen entgleiste. Unter ungeheurem Einsatz von Waffen und Material zeigte der Krieg sein neues, modernes Gesicht: Die Materialschlachten brachten Millionen von Soldaten den Tod an der Front.
Von den Überlebenden waren viele nervlich so zerrüttet, dass sie kaum mehr ins zivile Leben zurückfanden. Unter den Schlachtfeldern des großen Krieges nimmt bis heute Verdun an der Westfront eine besondere Stellung ein: Niemals zuvor fielen so viele Granaten, starben so viele Soldaten auf so wenig Raum wie hier. Deutschland ging aus dem Krieg als Verlierer hervor, vom der oft gerühmten Unbesiegbarkeit der deutschen Armee war nichts übriggeblieben.
Die Bilanz des Ersten Weltkrieges aus deutscher Sicht: Von den rund neun Millionen gefallenen Soldaten waren fast zwei Millionen Deutsche. Etwa 995.000 Deutsche gerieten in Kriegsgefangenschaft.
Von der Reichswehr zur Wehrmacht
Die Heeresstärke wurde nach dem Ersten Weltkrieg auf 100.000 Mann begrenzt, die allgemeine Wehrpflicht verboten. Deutschland war von den Entente-Staaten durch den Versailler Vertrag militärisch neutralisiert worden. Vom März 1921 an wurden die deutschen Streitkräfte "Reichswehr" genannt, die Soldaten auf die Weimarer Verfassung vereidigt.
In den unruhigen 1920er-Jahren der Weimarer Republik begann zusehends eine Entpolitisierung der Reichswehr, die sich nicht in die innenpolitischen Wirren hineinziehen lassen wollte. Die Reichswehr entwickelte sich zu einem autonomen, kaum mehr zu kontrollierenden Staat im Staat. Ihr größtes Interesse lag in der Revision des Versailler Vertrages und der Überwindung seiner Entwaffnungsvorschriften.
Diese Entwicklung wusste sich die bald erstarkende NSDAP mit Adolf Hitler an der Spitze geschickt zunutze zu machen. Noch am Todestag Hindenburgs 1934 wurde die Vereidigung der deutschen Soldaten auf Hitler, auf die Person des Führers und Reichskanzlers vorgenommen.
Im März 1935 führte Hitler die allgemeine Wehrpflicht wieder ein und nannte die Reichswehr fortan "Wehrmacht". Die Kriegsmaschinerie des Deutschen Reiches war in Gang gesetzt, die NS-Propaganda erhob den kriegerischen Dienst an der Waffe zur wahren Bestimmung des deutschen Mannes.
Soldaten ohne Gnade
Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Sechs Jahre lang zerstörte ein ideologischer, auf der NS-Rassenlehre fußender Krieg, was Europa sich seit der Aufklärung an humanistischen, völkerrechtlichen und demokratischen Einsichten erarbeitet hatte.
Das berühmte, immer wieder heftig diskutierte Diktum Kurt Tucholskys – "Soldaten sind Mörder" – wurde grausame Realität im Weltkrieg, den Hitlerdeutschland nun anzettelte. Von ihrer gnadenlosesten Seite zeigte sich die deutsche Wehrmacht im Osten. Das "Unternehmen Barbarossa" war ein Vernichtungskrieg, der sich gezielt gegen die Bevölkerung der eroberten Gebiete richtete.
Wie tief die Verstörung über die zu Tätern gewordenen und als Vollstrecker missbrauchten deutschen Soldaten noch Jahrzehnte später reichte, verdeutlichte ab 1995 die heftige Debatte über die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944".
17 Millionen Soldaten waren zwischen 1939 und 1945 in die Wehrmacht eingezogen worden. Der Zweite Weltkrieg kostete fast fünf Millionen von ihnen das Leben. Nahezu jede deutsche Familie hatte 1945 Gefallene oder Vermisste zu beklagen.
Bundeswehr und NVA
Die Stunde Null bedeutete das Ende des deutschen Angriffskrieges und Militarismus. Deutschland hatte den Krieg in die Welt getragen, jetzt verlief der Eiserne Vorhang der neuen Machtverhältnisse quer durchs Land. Eine Nation spaltete sich in zwei Staaten, das geteilte Deutschland avancierte zum Symbol des Kalten Krieges.
Im März 1956 stellte die DDR die ersten Einheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) auf. Im gleichen Monat führte die BRD mit dem 7. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes die allgemeine Wehrpflicht ein.
Gegen den anfänglich erbitterten Widerstand der Sozialdemokraten leistete Adenauer der Westintegration den Vorschub. Ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 2000, wurde schließlich auch Frauen in Deutschland nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs der freiwillige Dienst an der Waffe erlaubt.
Vom Verteidigungsfall zur Krisenintervention?
Das soldatische Selbstverständnis im Deutschland des 20. und 21. Jahrhunderts reicht vom ideologischen Angriffskrieg über den Verteidigungsfall im Kalten Krieg bis hin zum Einsatz in weit entfernten Krisenregionen.
Landes- und Bündnisverteidigung, humanitäre Einsätze im Ausland und zivile Hilfe wie bei der Flutkatastrophe 2003 in Sachsen: Der demokratisch legitimierte Auftrag der Bundeswehr entspricht heute den vielfältigen Anforderungen eines pluralen Rechtsstaates. Die Bundeswehr ist darüber hinaus in die Partnerschaften von Europäischer Union und Nato integriert.
Eingriffe in Krisengebieten und Leistungen zur Wiederaufbauhilfe wie in Afghanistan, militärische Absicherung von Friedensprozessen, aber auch die Reaktion auf Bedrohungen, die vom internationalen Terrorismus ausgehen, waren und sind die neuen Aufgaben der deutschen Soldaten und Soldatinnen des 21. Jahrhunderts.