Ordensleute

Benedikt von Nursia

Auf einem Berg zwischen Rom und Neapel liegt Montecassino, das älteste Benediktinerkloster der Welt. Sein Namensgeber, der heilige Benedikt von Nursia, gilt als Begründer des abendländischen Mönchtums. 1964 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Patron Europas.

Von Martina Frietsch

Benedikt von Nursia

Als der junge Benedikt von Nursia, um 480 als Spross einer wohlhabenden Familie geboren, zur Ausbildung nach Rom geschickt wurde, war er entsetzt: Das Leben in der Stadt war in jeder Hinsicht von Verfall gekennzeichnet, seine Mitstudenten erschienen ihm sittenlos.

Benedikt verließ Rom, schloss sich zunächst einer asketischen Gesellschaft an und zog sich schließlich als Einsiedler in eine unbewohnte Gegend nahe Subiaco zurück, etwa 70 Kilometer östlich von Rom.

Drei Jahre lang lebte er in einer Höhle, widerstand der Legende nach jeder Versuchung und lebte von Brot, das ihm die Mönche eines benachbarten Klosters brachten. Sein Ruf verbreitete sich so weit, dass immer mehr Menschen kamen, um ihn zu sehen. Schließlich wählte ihn das Kloster in Vicovaro zum neuen Abt.

Mit seinen strengen Regeln kamen die Mönche jedoch nicht zurecht. Um ihn loszuwerden, sollen sie versucht haben, Benedikt zu vergiften. Er kehrte nach Subiaco zurück und gründete ein Dutzend kleinere Klöster.

Auch hier kam es zu Konflikten und Benedikt kehrte mit einer Schar seiner Getreuen der Gemeinschaft den Rücken. Auf dem Monte Cassino, bis zu diesem Zeitpunkt eine heidnische Kultstätte, gründete Benedikt von Nursia das Kloster Montecassino.

Benediktinerabtei Montecassino | Bildquelle: mauritius images

Benedikts Klosterregeln

In Montecassino konnte Benedikt schließlich seine Vorstellungen vom Klosterleben verwirklichen. Die Mönche durften keinen persönlichen Besitz haben, sollten vorbildlich und gottesfürchtig leben. Ein ausgewogenes Verhältnis von Beten und körperlicher Arbeit bestimmte den Alltag.

Wesentlich war auch das Leben in der Gemeinschaft, beispielsweise das gemeinsame Einnehmen der Mahlzeiten. Mit diesen Klosterregeln, der "Regula Benedicti", beeinflusst Benedikt bis heute das gesamte abendländische Klosterleben.

Der Gründer des Benediktiner-Ordens war bei der einheimischen Bevölkerung sehr beliebt: Er wirtschaftete klug und konnte so den Menschen in Notzeiten mit Lebensmitteln helfen. Auch für Heilungen wandten sich die Menschen an ihn.

Benedikt galt außerdem als Friedensstifter: Sein Modell des brüderlichen und friedlichen Umgangs miteinander sollte auch für die Gesellschaft gelten. Wenn er sich gegen Gewalt und Krieg aussprach, legte sich Benedikt von Nursia mitunter furchtlos mit der Obrigkeit an, beispielsweise mit dem Gotenkönig Totila.

Gründer des Benediktiner-Ordens | Bildquelle: WDR / INTERFOTO

Patron Europas

Wie bedeutend sein Wirken sein würde, war zu seinen Lebzeiten nicht abzusehen. Heute gilt Benedikt als Vater des abendländischen Mönchtums, als Begründer der klösterlichen Pflege und als Friedensstifter. Papst Paul VI. ernannte ihn zum Patron Europas. Darüber hinaus wird er auch "Vater des Abendlandes" genannt. Er ist Patron der Schüler und Lehrer, der Bergleute sowie der Sterbenden.

Benedikt von Nursia starb etwa um 547. Was heute über ihn bekannt ist, geht im Wesentlichen auf das zweite Buch der "Dialoge" von Papst Gregor dem Großen (540-604) zurück. Doch das Buch entstand lange nach dem Tod Benedikts. Papst Gregor soll sich auf die Berichte von Augenzeugen gestützt haben.

Montecassino: Zerstörung und Wiederaufbau

Viermal wurde das Kloster im Lauf seiner Geschichte fast völlig zerstört und wieder aufgebaut: 577 durch das germanische Volk der Langobarden, 883 von den Sarazenen aus Nordafrika, 1349 durch ein Erdbeben und schließlich im Frühjahr 1944 während einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs.

Nach dem ersten Wiederaufbau, den Papst Gregor II. um 717 in Auftrag gab, erlebte Montecassino eine erste große Blütezeit. Könige und Bischöfe, auch von weit nördlich der Alpen, statteten dem Kloster Besuche ab. Hochgestellte Persönlichkeiten traten in den Orden ein. Karl der Große besuchte Montecassino 787 und ließ sich eine Abschrift der inzwischen berühmten Regeln geben.

Im 10. und 11. Jahrhundert erlebte das Benediktinertum in Europa eine große Blüte, Montecassino wurde nach den Zerstörungen durch die Sarazenen wieder aufgebaut. Das Kloster entwickelte sich zu einem bedeutenden Zentrum für Wissenschaft, Kunst, Kultur und Medizin. Zwei der Äbte wurden später Päpste: Stephan IX. und Viktor III.

Einen Rückschlag erlitt Montecassino durch das Erdbeben von 1349. Das Gebäude wurde fast vollständig zerstört. Beim anschließenden Wiederaufbau flossen Elemente der Renaissance und des Barock ein.

Zentrum der Wissenschaft | Bildquelle: wdr

Die Schlacht von Montecassino

Im Januar 1944 lebten in Montecassino nicht nur Mönche, sondern auch andere Menschen, die Zuflucht gesucht hatten. Montecassino befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem entmilitarisierten Sperrkreis. Die Alliierten, die Richtung Norden vorzustoßen versuchten, vermuteten im Kloster jedoch deutsche Soldaten. Am 17. Januar 1944 begannen sie, auf das Kloster vorzurücken – ohne Erfolg.

Am 15. Februar wurden die Gebäude drei Stunden lang bombardiert und dabei völlig zerstört. Alle Mitglieder des Ordens, die nicht geflüchtet waren, kamen ums Leben. Die Kunstschätze, Bücher und Handschriften sowie die Baupläne Montecassinos hatte ein Offizier der Wehrmacht schon vorher im Vatikan in Sicherheit gebracht.

Die Schlacht um Montecassino dauerte bis zum Mai 1944, zehntausende Soldaten kamen dabei ums Leben.

Mahnmal für den Frieden

1945 begann der vierte Wiederaufbau von Montecassino, unter dem Leitsatz "Wo es stand und wie es war". Es dauerte zehn Jahre, bis der Bau fertiggestellt war und die Kunstschätze Montecassinos wieder zurückgebracht werden konnten.

Am Fuß des Klosters befinden sich heute die Gräber der Gefallenen – 107.000 Soldaten aus 32 Nationen. Eine Stiftung kümmert sich um die internationale Begegnungsstätte für die Überlebenden und die Angehörigen der Gefallenen.

Montecassino ist heute nicht nur einer der bedeutendsten Erinnerungsorte des Christentums, sondern auch ein Mahnmal gegen den Krieg. Tausende Besucher kommen jährlich, um die Soldatengräber und das Kloster zu besuchen.

Der Heilige Benedikt hat seine letzte Ruhe ebenfalls in der Kirche des Klosters gefunden – in einem Grab auf der Rückseite des Altars.