Giraffen zum Ruhme Roms
Gleich mehrere römische Kaiser ließen Giraffen nach Rom transportieren. Die erste gelangte vermutlich im Auftrag von Julius Cäsar (100 bis 44 vor Christus) dorthin.
Danach sind erst im 3. Jahrhundert nach Christus für Gordian II. und Aurelian wieder Giraffentransporte dokumentiert. Gordian III. ließ Berichten zufolge gleich zehn Giraffen als Zeichen seiner Allmacht in der Arena niedermetzeln.
Danach scheint es mehrere Jahrhunderte lang keine Giraffen mehr in Europa gegeben zu haben – zumindest finden sich darüber keine Aufzeichnungen.
Erst im 11. Jahrhundert wurde wieder eine Giraffe in Byzanz gezeigt. Der reiselustige römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen brachte schließlich zum ersten Mal eine Giraffe nach Deutschland, ebenso zahlreiche andere exotische Tiere. Damit brachte er seine Untergebenen zum Staunen und stellte einmal mehr unter Beweis, dass er nicht willens war, sich langjährigen Konventionen unterzuordnen.
Sensationelles Geschenk
Während Friedrich II. mit seinen Menagerien unter seinen Zeitgenossen eher ein Außenseiter war, wurden exotische Tierschauen in der Renaissance immer beliebter. Die Menschen genossen es, neue, unbekannte Tiere zu sehen – je außergewöhnlicher, desto besser.
Der Papst besaß Elefanten, Nashörner und ungarische Bären, Fürsten in Mailand hielten Hunde aus England, Leoparden und Jagdvögel. In Venedig, Ferrara und Neapel gab es Löwen, in Florenz sollen es sogar 25 Exemplare gewesen sein. Doch die Giraffen blieben etwas ganz Besonderes.
Als Papst Pius II. im Jahr 1459 die Stadt Florenz besuchte, wollte man altrömische Traditionen aufleben lassen und eine Art Arena-Kampf mit exotischen Tieren inszenieren. Man sperrte einen Platz ab und ließ darauf Löwen, Wölfe, Bären und Hunde frei.
Und es gab auch eine Giraffe – allerdings keine echte, sondern nur eine riesige Hülle, in der sich 20 junge Männer versteckten. Ihre Aufgabe war es, die Löwen zu reizen und einen Kampf zu provozieren. Die Löwen waren allerdings satt und faul, die geplante Show misslang.
1486 erhielt dann Lorenzo di Medici endlich eine echte Giraffe. Sie war das Geschenk eines ägyptischen Sultans, der sich damit die Unterstützung der Florentiner in einem Konflikt mit den Türken erhoffte. Als das Tier in Florenz ankam, war es eine regelrechte Sensation. Mehrere zeitgenössische Dichter beschreiben die Szene, wie die Giraffe über die Straßen spazierte, von den Menschen bestaunt.
Noch Jahrzehnte später inspirierte diese Szene Maler zu Bildern, auf denen immer wieder diese eine Giraffe zu sehen war – wenn auch nicht immer unbedingt naturgetreu gezeichnet.
Wilde Tiere fürs Volk
Im 19. Jahrhundert erlebten die Giraffen einen regelrechten Boom. Die europäischen Herrschaftshäuser ließen Zoos gründen, in denen derlei exotische Tiere nicht fehlen sollten.
Als um 1826 der französische König Charles X. eine Giraffe erhielt, lief die Bevölkerung zusammen und bestaunte das riesige Tier ebenso wie seine dunkelhäutigen Begleiter. Der König kam, um die Giraffe zu betrachten, und fütterte sie mit Rosenblättern.
Wie groß die Begeisterung war, zeigt die Tatsache, dass für die Damen der besseren Gesellschaft sogar eine eigene Frisur "à la girafe" entstand, in der die Hörnchen nachgebildet wurden.
Auch in der Schönbrunner Menagerie in Wien konnte man wenig später eine Giraffe bestaunen. Hier entstand in der Folgezeit ein Giraffentanz, und Giraffengebäck wurde große Mode. Auch Kleider, Schmuck und Gebrauchsgegenstände wurden im Giraffendesign gestaltet. Unter dem Titel "Giraffen in Wien" verfasste der zeitgenössische Volkstheater-Dichter Adolf Bäuerle sogar ein Theaterstück.
Mahnmal in Zeiten des Bürgerkriegs
Im 20. Jahrhundert war die Giraffenhaltung in Zoos dann relativ üblich. Man versuchte sich an Nachzuchten, dafür wurden teilweise auch verschiedene Giraffenarten gekreuzt. Die Haltung der Tiere wurde zunehmend unabhängig von politischen Machthabern.
In der Kunst blieb allerdings die Verbindung von Giraffe und politischen Verhältnissen bestehen. So wird das mehrfach wiederkehrende Motiv einer brennenden Giraffe in Bildern von Salvador Dalí häufig als Symbol für den Spanischen Bürgerkrieg gesehen – ein Thema, das viele Künstler Ende der 1930er-Jahre stark beschäftigte.
Die Giraffe als Kunstobjekt
Auf der Ausstellung "documenta 12" in Kassel 2007 hatte eines der meistbeachteten Kunstwerke wieder mit einer Giraffe zu tun. Es war Peter Friedls Arbeit "The Zoo Story", die eine ausgestopfte Giraffe zeigt.
Das Tier mit dem Namen Brownie stammt aus einem Zoo in Qalqiliyah im Westjordanland und starb in Folge eines israelischen Angriffs. Ein dortiger Tierarzt stopfte es aus, so gut es ihm möglich war. Kunstkritiker sehen die Arbeit als Mahnmal gegen den Krieg, der immer auch wehrloses Leben zerstört.
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 01.02.2021)